Warum bin ich solange im Fläming geblieben?

Rudolf Röhr

Ja, warum bin ich solange im Fläming geblieben

Erinnerungen eines Pfarrers 1926 bis 1963 Borne - Bergholz - Klein Glien - Hagelberg - Lübnitz u.a

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Inhalt

"Sie übernehmen ab 1. Juli die Pfarrstelle in Borne ..."
Paulines Hochzeit
Und dann die Herren Patrone
Bernhard von Tschirschky Klein Glien
Graf Alex. von Fürstenstein Wiesenburg
Graf Enzio von Plauen Wiesenburg
Frau Editha von Lochow Lübnitz
Dr. Fritz von Tschirschky Klein Glien
Ein Pfarrer hat mehrere Gemeinden zu betreuen
Die Gemeinde Bergholz
Borne als Pfarrstelle
Kirchendiener
Von Hexerei und Aberglauben
Die Gemeinde Klein Glien
Die Gemeinde Hagelberg
Jubiläum des Gefechtes bei Hagelberg - 1933
Die Gemeinde Lübnitz
Die Umpfarrung
Benken Werbig Die Wege und Fahrten und was man dabei erlebt
Die Pfarrfrauen: Liesel Druschke, Ruth Biedermann,
Barbara Jürgenson, Gertrud Kalkofen, Frau Reichmuth
Die Generalkirchenvisitationen
1930 D. Dr. Dibelius
1948 Dr. Braun.
1961 Dr. Braun
Die Herren Superintendenten
Bree, Zunkel, Bernhard, Reichmuth,
Schian, Wilde von Wildemann, Krolzig,
Intermezzo Pfarrer Kietzmann
Probleme um den Nachweis der "arischen" Abstammung
Die Turmuhr von Borne
Die Kriegszeit und ihre Opfer
Und nun die Herren Lehrer
Die sogenannte Befreiung
Die freien Bauern
Ja, warum bin ich solange geblieben?
Register der vorkommenden Namen
Sachregister

Auszug aus dem ersten Kapitel

"Sie übernehmen ab 1. Juli die Pfarrstelle in Borne..." Ende Juni 1926 hatte ich das II. Examen bestanden. Konsistorialrat Jordan war Dezernent für die Kandidaten des II. Examens, ein gefürchteter Examinator in Dogmatik. Er war aus Wittenberg gekommen, markierte den schneidigen Mann wie ein Offizier. Sein Verhältnis zu den jungen Theologen war nicht väterlich. Nur Autorität! Trotzdem wagte ich eine Bitte. Ich sei durch die Kriegsteilnahme nun 32 Jahre alt, lange verlobt und möchte bei der Zuteilung des Dienstes die Möglichkeit zum Heiraten haben. Wer wagte damals vor dem II. Examen zu heiraten? Jordan schwieg und ließ mich, sozusagen, abtreten. Man hatte ja bei den Soldaten gelernt, still zu sein, aber ich fürchtete: Der Kerl würgt mir wegen der Bitte noch was rein. In zwei Tagen, Sonntag, dem 4. Juli, wurde der ganze Haufen von Jordan in der Kaiser Friedrich Gedächtniskirche zackig ordiniert. Jordan marschierte seitlich im rechten Winkel zum Altar vor, machte in der Mitte vor dem Altar eine schneidige Links?um?Wendung, die das Entzücken jedes Unteroffiziers auf dem Kasernenhof erregt hätte. Mir bedeutete es eine unbändige Heiterkeit. Ich mußte mich zusammennehmen, der Würde und dem Ernst der Stunde gerecht zu werden. So hatte ich es mir nicht vorgestellt. Nach der Ordination verteilte Jordan die zugedachten Dienststellen. Bei mir: "Sie übernehmen ab 1. Juli die Pfarrstelle Borne und haben sich sofort beim Superintendenten in Belzig zu melden!" Ich dankte mit gemischten Gefühlen und wußte so viel wie sehr wenig. Ich war wieder an der frischen Luft. Es konnte ja auch alles gut sein. Jordan habe ich nicht wieder gesehen. Er starb plötzlich und Dr. Kegel übernahm sein Referat. Und doch habe ich im stillen Jordan hinterher gedankt. Meine Mutter war sehr enttäuscht über die ganzen Plötzlichkeiten. Wir mußten sofort nach Haus fahren und das Nötigste packen. Wo lag Borne? Und wie ich es auch drehte und wendete, nicht mal der kleinste Abstecher zur Braut nach Waren war möglich. Zu Haus nahm ich zuerst das Kursbuch und suchte; ob Borne im Register als Bahnstation stand. Ja. Also keine Hundetürkei. Am nächsten Tag ging es mit Koffer und Fahrrad los. Der Zug fuhr sogar direkt von der Stadtbahn in Berlin Friedrichstraße ab. Ich konnte mir noch bei Eisenschmidt Generalstabskarten dieser Gegend kaufen. Nachmittags 1/2 4 Uhr kam ich in Belzig an. Das hochgelegene Gelände am Bahnhof und der Blick auf die Stadt waren ansprechend. In der Superintendentur schneite ich mitten in den Pfarrkonvent hinein. Der alte Bree, schon über 70, war der Superintendent. Interessant geworden, besonders bei den Damen, war er wegen seiner Heirat mit 70 Jahren mit der Oberschwester des Kreis?Krankenhauses. Der alte Bree war die Güte selbst. Er sagte: "Sie bleiben nun erst mal acht Tage in meinem Hause und fahren am Tag nach Borne. Ihr Vorgänger ist als Superintendent nach Neustadt/Dosse gegangen. Das Haus ist ganz leer.