John Shreve: Reetz. Ein Dorf in der Brandtsheide 1861 - 1961 (1998)
Dank an den Autor John Shreve
Ein Amerikaner kommt 1968 nach Deutschland, studiert an den Universitäten Marburg und Berlin Deutsch und Geschichte, erwirbt gar den Doktortitel, findet eine Frau, die aus Reetz, dem Dorf in der Brandtsheide, stammt, gründet eine Familie (zwei Kinder) und findet Zugang zu den Fläming-Bewohnern, die er ebenso achtet und verehrt wie seine Ehefrau Christiane. Die Reetzer Gespräche bei Schwiegereltern, Freunden und Ortskundigen machen ihn neugierig, und er fragt weiter nach, erhält Antworten, findet die große Weltgeschichte hier im Kleinen wieder. Es begegnen ihm auch verschlossene Leute, die über alles Gewesene nicht reden wollen. So bleibt manche Frage unbeantwortet.
Es entsteht eine Chronik von Reetz, die er durch die Mithilfe vieler wie ein Mosaik zusammensetzt. Er wendet Tausende von Stunden neben seiner Arbeit auf, um die Details in Bibliotheken und Archiven in Berlin, Potsdam und Brandenburg, in alten Zeitungen, Briefen, Diktatheften und Reetzer Protokollen zu finden. Umfangreicher als alle Chroniken, die in der Region in den letzten Jahren erschienen sind, präsentiert sich uns die Reetzer Geschichte. John Shreve spricht Themen an, über die in den letzten Jahrzehnten kaum geredet wurde, die aber zum Verständnis der Ereignisse unseres dramatischen Jahrhunderts von Wichtigkeit sind. Für Ortschronisten ist das Buch die Demonstration einer Methode der Heimatforschung, die vor allem die Menschen einbezieht, die dort gelebt und erlebt haben. Ihnen sei gedankt, dass sie mit Erinnerungen und Dokumenten an dem Buch mitgearbeitet haben.
Mögen die nächsten Generationen darin Antworten finden auf ihre Frage, warum alles das geschehen konnte. Und mögen sie daraus erkennen, dass sich Unmenschliches und Machtmissbrauch nie wiederholen darf. Mögen sie aber auch aus den Versuchen, das Leben auf dem Dorf mitzugestalten, Anregungen erhalten. Wir wünschen dem Buch eine freundliche Aufnahme und danken dem Autor John Shreve für seine unermüdlich Arbeit.
Helga Kästner im April 1998
Inhalt
1. Vorwort und Dank
2. Reetz bis zum Jahre 1861
Die Besiedlung
Der Reetzer Kirchenbau
Die Abhängigkeit der Reetzer von der Wiesenburger Herrschaft
Nachrichten aus dem 16. Jahrhundert
1636 - das Krisenjahr für den Fläming: Verwüstungen, Brände und Morde
Ereignisse und Veränderungen im 18. Und 19. Jahrhundert
3. Hundert Jahre Reetzer Geschichte ab 1861
3.1. Die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts
Reetz im Jahre 1861
Die Ablösung bedeutet zunehmende Abhängigkeit der Reetzer
Der Wald bietet Lebensunterhalt für die Dorfbewohner
Die Brandtsheide - ein Land der kleinen Leute
Fünf Kriegstote im Krieg 1870/71
Ausbau der Verkehrsverbindungen im vorigen Jahrhundert
Stärkefabrik, Dampfschneidemühle und Ziegelwerk in den achtziger Jahren
Hohe Sterblichkeitsrate
Die Bevölkerung des Dorfes und ihre Namen
Veränderungen im Dorfleben - Die Kirche wacht über die Moral
3.2. Bauten am Anfang unseres Jahrhunderts
Die Schule und ihre Lehrer - Bau der neuen Schule 1903/04
Umbau der Kirche 1904/05 - Das neue Pfarrhaus 1906/08 und die Pfarrer
Die Windmühle
3.4. Veränderungen in der Lebenweise in den ersten Jahrzehnten
Gesellschaft und Lebensweise
Vereinsleben, Unterhaltung und Bildung
Problem der Wasserversorgung geklärt 1913
Musterungen und militärische Übungen schon vor dem Ersten Weltkrieg
Kinderfest mit Fackelzug
Ein Pferdekauf in Reetz (Fritz Senst)
3.5. Aus den Jahren 1918 bis 1933
Die Soldaten kehren heim
Ein Neuanfang - Die Inflation beginnt
Franz Wernicke und Richard Senst
Modernisierung und Technisierung des Dorfes
Die Freiwillige Feuerwehr wird 1921 gegründet
Das Kriegerdenkmal von 1923
Die Inflation erreicht den Höhepunkt - Einführung der Rentenmark
Küsterdienste und Pastors Ärgernisse
Nachkriegsschüler erinnern sich an Schule und Lehrer
Turnverein, Schießverein und Feuerwehr organisieren Massenfeste
Pfarrerwechsel 1931
Israel Rabinowitsch - der Krieg hat ihn ins Dorf verschlagen
Ergebnisse der Wahlen - Tendenzen der Politisierung im Dorf
Aus dem Diensttagebuch des Polizisten Albert Gause
Die Brandtsheide (In: Heimatkalender 1930)
"Schröder" - eine Charakteristik (Walter Rettig)
Karl Manouri (In: Die Hugenottenkirche, 1966)
3.6. Die Jahre 1933 bis 1939
Das Jahr 1933 - der Nationalsozialismus dringt in alle Bereiche ein
Nationalsozialistische Vereine wirken im Ort - NS-Propaganda
Winterhilfswerk
Einflüsse der Politiker auf die Kirche
Sonnenwendfeier, Erntedankfest, Erster Mai und andere Feiern
Zipsdorf - einst Teerhütte
Dorfereignisse - Die Badeanstalt entsteht aus dem Dorfteich
Pfarrer Juergensohn zieht ein
Das wirtschaftliche Leben - Handel und Handwerk - Die Ziegelei
Die Landwirtschaft - Teil des nationalsozialistischen Programms
Die Judenpolitik in Reetz
Die Ausgrenzung beginnt auch für Israel Rabinowitsch und seine Familie
Das Militär wird verstärkt - Vorbereitung des Krieges
3.7. Die Jahre 1939 bis 1945 - der Zweite Weltkrieg
Krieg und Nationalsozialismus - Die ersten Toten
Auch die Pfarrer werden zum Kriegsdienst eingezogen
Kinder und Schule spüren die Kriegsauswirkungen
Die Freiwillige Feuerwehr - eine Jugendfeuerwehr
Die "Fremdarbeiter"
Für Israel Rabinowitsch beginnt eine schwere Zeit
Kriegsalltag
Januar bis Mai 1945 - Kriegsende in Sicht
3.8. Die Jahre 1945 bis 1951
Friede und Gewalt ziehen ins Dorf ein
Plünderungen - Verhaftungen - Reetz 1945 nach dem Krieg
Die Bodenreform im Dorf der kleinen Bauern
Der Unterricht beginnt wieder
Max Jakubowski kehrt zurück
Der Schatten des Krieges
Das neue politische Leben
Vertriebene kommen 1946 ins überfüllte Dorf
Versorgung und Gewerbe kommen langsam in Gang
Reetz blieb ein Dorf der kleinen Bauern
Der Wald - Holzeinschlag und Besenbinden
Zeichen der Zeit - Protokolle aus dem Bürgermeisteramt
Die Bauernpartei wird gegründet - Veränderungen im Dorf
Die FFW wird vor allem zu Waldbränden gerufen
Sport-Wettkämpfe und Turnerbälle
Die erneute Politisierung des Lebens - Kirche und Politik
Die Verhaftung von Alfred Wernicke
Der kalte Krieg in Reetz - Schule und Politik
Die Gedenkstätte in der Kirche
3.9. Die Jahre 1952 bis 1961
Die Veränderungen nach dem Putsch am 17.6.1953
Die ersten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG)
Das neue Regime etabliert sich
Die Kollektivierung der Landwirtschaft
Hundert Jahre des Wandels - eine Zusammenfassung
Anhang
1. Die Reetzer Sprache - ein Flämingplatt mit Wortlisten
De Windmelle - De Landwirtschaft (beide Ernst Großkopf)
Miene Kindheet - Ärdfelburreln
2. Die Gefallenen des Krieges 1870/71
3. Die Pfarrer von Reetz
4. Die Lehrer von Reetz
Auszüge
Die Ablösung
Zum Auftakt des 8. Jahrhunderts der Reetzer Geschichte setzte sich ein Prozess in Gang, der das Leben der Reetzer und ihr Verhältnis zu den "Herrschaften" grundlegend veränderte, die sogenannte "Ablösung".
Seit Jahrhunderten hatten die Untertanen und auch geistliche und Schulinstitutionen in der Brandtsheide verschiedene Holz-, Weide- und andere Rechte in den herrschaftlichen Forsten. Dafür mussten sie bestimmte Dienstleistungen (Hof-, Jagd-, Boten- und Handdienste) und Abgaben erbringen.
Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Reetzer Untertanen noch zu Jagd-, Bau- und Schlosswachdiensten verpflichtet. Auch "Botschaftlaufen" hatte man zu leisten. Zwar waren die Hüfner davon befreit, aber die übrigen Untertanen mussten "so oft die Reihe herankam" laufen. Für Reisen von mehr als einer Meile gab es eine Entschädigung von einem Groschen pro Meile. Für die häufigeren Reisen unter einer Meile war keine Entschädigung vorgesehen. Schon zu der Zeit hatte die Umwandlung des Wirtschaftsdienstes in Geldzahlung begonnen, zumindest für die Hüfner. Selbst wo die Dienstverpflichtungen noch in natura zu leisten waren, wurde ihr Wert in Geld angeschlagen. In Reetz wurden die Dienste der 5 Lehnbauern auf 25 bzw. 24 Taler jährlich eingeschätzt, die der gewöhnlichen Hüfner auf 20 Taler.
Für die herrschaftlichen Güter war diese Verwandlung auch ein Zeichen der zunehmenden Unabhängigkeit von den Diensten der Untertanen. Schon Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Spanndienste der Hüfner weitgehend in Geldzahlungen verwandelt worden. Das Halten von "Hofgespann", in Mahlsdorf Ochsengespann, hatte sich als rentabler erwiesen.
Die geschichtlichen Ereignisse im Laufe des 19. Jahrhunderts machten die althergebrachten Verhältnisse zwischen Herrschaften und Einwohnern der Brandtsheide zu einem Relikt aus vergangenen Zeiten. Durch die "Verordnung, die Aufhebung der Erbuntertänigkeit in den übrigen vormals Kgl. Sächsischen Landestheilen betreffend" vom 18. Januar 1819 wurde die Leibeigenschaft abgeschafft. In den alten preußischen Gebieten war dieser Schritt schon 1807 erfolgt.
Der nächste Schnittpunkt in der Entwicklung kam im Revolutionsjahr 1848. In einer Geschichte der Herrschaft Wiesenburg kommentierte Fähndrich die Ereignisse aus der Sicht des Jahres 1885:
"In der ruhigen und gedeihlichen Fortentwicklung, die in dem Umfang der Mahlsdorffer Herrschaft unter einem milden Regimente stattgefunden hat, ist die Zeit des unruhigen Jahres 1848 wie ein schriller Misston, dessen unfreundliches, ganz unbegründetes Auftreten die Familie von Goldacker veranlasste, auf einige Zeit Mahlsdorff zu verlassen und in Wittenberg zu wohnen. Glücklicherweise hat sich aber sehr bald dieses Missverhältnis wieder in eine friedliche Harmonie zwischen Herrschaft und Gemeine aufgelöst."1
Was war geschehen? Nach dem 18. März, als Barrikadenkämpfe in Berlin ausgebrochen waren, kam es in Wiesenburg, Schmerwitz und Mahlsdorf zu Tumulten. In einem Protest vor dem Gutshaus in Mahlsdorf wurde eine Befreiung von Hofdiensten verlangt. Die Familie Goldacker flüchtete nach Wittenberg, bis der Frieden wieder einkehrte. Von 1848 an wurden die Wirtschaftsdienste, die Spinndienste sowie die Erdbeerenabgabe (weitere Dienste bestanden seit 1819 nicht mehr) verweigert.
Beginnend im Jahre 1861 wurde das alte Verhältnis zwischen Herrschaft und Untertanen in der sogenannten "Ablösung" nach und nach und am Ende vollständig aufgehoben. Verantwortlich war der "Herr Ökonomie-Kommissionsrath" Engel in Belzig, später Potsdam. Die Untertanen verloren das Recht, in die herrschaftlichen Reviere zu gehen. Dieses Recht erlosch an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten, der Prozess wurde aber etwa 1868 weitgehend abgeschlossen. Abgefunden wurden die Untertanen mit Land oder Geld. Das gleiche galt auch für die geistlichen und Schulinstitutionen. Ihre Ansprüche an die Herrschaften und Gemeinden wurden durch Vermittlung der Rentenbank abgelöst. Von der Herrschaft Schmerwitz bekam jeder Reetzer Hüfner 20 Morgen, jeder Kossät 12 Morgen Land. Die Reetzer wurden von Mahlsdorf mit Geld entschädigt. Jeder Hüfner erhielt eine jährliche Rente von 14 Taler, jeder Kossät 9 Taler, jeder Büdner 6 Taler. Die seit 1848 verweigerten Dienste und Abgaben mussten allerdings durch Geldzahlung nachgeholt werden.
Die Ablösung in Mahlsdorf muss spätestens 1864 im großen und ganzen abgeschlossen gewesen sein, denn in jenem Jahr wurde die Mahlsdorfer Ökonomie aufgelöst. Die Äcker wurden teils verpachtet, teils aufgeforstet. Nur ein geringer Viehbestand wurde behalten. Für den Wegfall ihres Verdienstes wurden die herrschaftlichen Tagelöhner mit Land entschädigt.
1868 wurden dann sämtliche Scheunen und Wirtschaftsgebäude in Mahlsdorf weggerissen. Der gewonnene Platz wurde zum Park umgestaltet. Nordwestlich des Hauses wurden Gebäude mit Bedientenzimmer, Remisen und Ställen gebaut. Die große Loggia wurde 1870 angebaut.
Ernst Willibald von Goldacker und seine Frau hatten drei Töchter: Auguste Luise Editha (geb. 1836), Helene (geb. 1840) und Amalie Wilhelmine Auguste Constanze (geb. 1847). Die Familie besaß eine Wohnung in Berlin, wo sie die kältere Jahreszeit verbrachte. Im Sommer lebte sie in Mahlsdorf, "soweit nicht Veranlassung vorliegt, Bäder zu besuchen".2
Auguste Luise Editha heiratete den Grafen Alexander Hermann von Wartensleben am 14. Juli 1859 in Reetz. Schon im März 1863 aber starb die Gräfin von Wartensleben in Berlin. Ihre sterblichen Reste wurden nach Mahlsdorf überführt, wo sie im Erbbegräbnis beigesetzt wurde. Weil sie von ihrem Vater schon als Erbin eingesetzt worden war, erhielt sie das "für solchen Fall" übliche 14tägige Trauergeläut in allen Kirchen der Brandtsheide. Ihr Mann starb 1870 und wurde ebenfalls in Mahlsdorf beigesetzt. Sie waren kinderlos.
Die zweite Tochter, Helene, ist 1865 von der preußischen Königin zur Stiftsdame des hochadligen Fräulein-Stifts Mariafließ erhoben worden.
1877 heiratete Constanze den Herrn Grafen Hans von Beust. "Diese Ehe wurde aber", wie es in der Sprache des 19. Jahrhunderts hieß, "aus Gesundheitsrücksichten ein Jahr später wieder gelöst."3 Im klaren Deutsch: Ihr Ehemann war schwul.
Der Wald
Die herrschaftlichen Forste wurden den Einwohnern allerdings nicht ganz versperrt und bedeuteten für viele nach wie vor eine Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen. Manche pachteten Streuflecken, um an Streu zu kommen, und hier und da fanden "Streutage" statt, an denen Streuabholen in einem bestimmten Waldbezirk freigegeben wurde. Weiter wurde das Entnehmen von Erd- und Heidelbeeren aus den herrschaftlichen Forsten meistens gestattet. Das war für die Einwohner der Brandtsheide eine nicht unerhebliche Erwerbsquelle. Zur Zeit der Beerenlese kamen abends die Händler in den Wald und kauften die Heidelbeeren auf, um sie dann in den größeren Städten weiter zu verkaufen. Der Liter Heidelbeeren kostete Anfang der '80er Jahre zwischen 13 und 15 Pfennige. Mit Pilzen und Morcheln wurde auch gehandelt.
Auch das Birkenreis wurde in der Brandtsheide verwertet, indem es zu Reisbesen verarbeitet wurde, die 10 bis 12 Pfennig kosteten. Daher sprach man von der "Besenbindergegend". Konkurrenz machten damals allerdings die neuen Besen von Kokosfasern.
Das wichtigste Produkt der Brandtsheide war aber das Holz. Schon im Erbbuch von 1575 war zu lesen:
"Aus dieser Heydenn mus sich der ganze flemmingk fast des feuerwergks erholeen, desglechenn auch die benachpartenn In Andern vmbliegenden Ämbternn, Ist auch des fichten Bauholzes die mennich darinn, desgleichen Eichen, birgken und Buchen."4
Die wirtschaftliche Bedeutung des Waldes für die Herrschaft kann man daran erkennen, dass sie regelmäßig Holzmärkte veranstaltete. 1627 wird schon ein Forstmeister erwähnt, der für die pflegliche Behandlung des Waldes zuständig war.
Im Dreißigjährigen Krieg ist in den Wäldern viel Schaden angerichtet worden: Eichen und Kiefern wurden gefällt und Jungwuchs brannte weg. Es verbuschte viel Kulturland. Wahrscheinlich verschuldeten dies nicht nur die marodierenden Soldaten der verschiedenen Armeen. Auch die Einwohner der Brandtsheide vergriffen sich vermutlich am Wald, sei es aus Not oder in Ausnutzung der chaotischen Zustände. Denn nach Kriegsende mussten Teile des Waldes, so z.B. zwischen Reetz und Schlamau und zwischen Reetz und Medewitz durch eine kurfürstliche Verordnung geschützt werden.
In und nach dem Krieg war der Wert des Holzes so gesunken, dass die Herrschaft nach anderen Möglichkeiten suchte, die Wälder wirtschaftlich zu nutzen. Es wurden Teer- und Pechhütten angelegt. Die Teerbrenner pachteten die Öfen und mussten von jedem Brande 14 bis 20 Taler zahlen, von jeder Tonne Teer 3 Taler.
Nach dem Krieg entstand die Reetzer Teerhütte. Es wohnten drei Familien dort, der Teerschwelermeister Peter Werlitz, der Böttcher Andreas Schuster und der Forstläufer David Neumann. Die Böttcher mussten die Fässer für das Pech herstellen, was zu dieser Zeit, da die meisten Räder aus Holz bestanden, als Wagenschmiere benutzt wurde. 1716 war Reetzerhütten auf 22 Wirtschaften gewachsen. Die Pechhütte existierte bis 1857. Es entstanden auch Teeröfen bei Zipsdorf und Alte Hölle.
Im 18. Jahrhundert wurde die Ausbeutung der Wälder intensiviert. Mit dem Königlichen Bergamt in Halle schloss Adam Friedrich Brandt mehrere Holzlieferungsverträge ab. Das Bergamt benötigte große Mengen Holzkohle für seine Hüttenwerke. 1749 wurde ein Liefervertrag über 24000 Klafter mit der Rothenburger Bürgerschaft abgeschlossen und 1752 für weitere 3000 Klafter. Von Schmerwitz aus verpflichteten sich die Brandts, für die Kupferhütte Rothenburg bei Könnern an der Saale jährlich 3000 Klafter gutes Kiefern- und Buchenholz zu liefern und zwar zu einem "für alle Zeiten" unveränderlichen Preis von einem Taler pro Klafter. Der Schmerwitzer Brandt geriet in Geldnot und musste die jährliche Lieferung auf 5000 Klafter erhöhen. Diese massiven Abholzungen drohten die Brandtsheide zu zerstören. Als die Holzpreise stiegen, konnten nach und nach bessere Bedingungen ausgehandelt werden. Erst 1861 aber konnten die Brandts sich von diesen schädlichen Verträgen befreien, allerdings gegen eine Entschädigung von 300.000 Mark an das Bergamt und eine letzte Holzlieferung von 4000 Klafter. Es war wieder in größerem Umfang aufgeforstet worden, dadurch hatte sich der Charakter des Waldes verändert. Das Laubholz nahm ab, dafür wurden schneller wachsende Kiefern- und Tannenschonungen angelegt.
Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts blieb das Holz die Haupterwerbsquelle in der Brandtsheide. Die Wälder wurden als "eine Brotkammer für die Herrschaften und Unterthanen" bezeichnet. 1869 wurde das Forsthaus "auf dem grünen Grund" bei Reetz gebaut. (Forsthäuser wurden auch in Reetzerhütten und Medewitz gebaut.) Die Brandtsheide war in vier Reviere aufgeteilt: das Schmerwitzer, das Mahlsdorfer, das Wiesenburger und das Gliener. Das Mahlsdorfer Revier umfasste etwa ein Achtel der Brandtsheide. In der Brandtsheide waren etwa zwölf höhere Forstbeamte angestellt.
Teils wurde das Holz auf dem Stamm an Holzhändler verkauft, die zu ihren Kosten für das Abholzen sorgten. Teils erledigten die Herrschaften das selbst und verkauften das Holz auf Auktionen, meist auch an Holzhändler. Diese Holzauktionen zogen viele Menschen an. Nach der Fertigstellung der Bahnverbindung kamen sogar Holzhändler aus Berlin und Magdeburg. Einwohner der Brandtsheide, die Brennholz benötigten, mussten seit der Ablösung ihren Bedarf bei den Auktionen decken. Seit etwa 1875 kaufte man in der Brandtsheide zunehmend Stein- und Braunkohlen. Das deutet darauf hin, dass die Preise für einheimisches Holz relativ hoch sein mussten. Wahrscheinlich wurde deshalb Holz aus Galizien für den Bau der Berlin-Nordhausener Bahnlinie herangeschafft.
Bei größeren Holzschlägen entwickelten sich kleine Arbeiterkolonien von sogenannten "Rustschneidern", die die langen Hölzer mit Schrotsägen zu Bohlen, Brettern, Schwarten, Latten und leichten Balken verarbeiteten und dafür pro Tag 3 Mark erhielten. Der Bau von Dampfschneidemühlen beendete allerdings die Zeit der Rustschneider. Im Winter wurden nach dem Holzeinschlag die Stubben ausgerodet und die leeren Flächen gepflügt und damit auf das Pflanzen neuer Bäume vorbereitet. Diese Arbeit, "Planten" hieß es im Platt der Brandtsheide, bot im Frühjahr Frauen und größeren Kindern mehrere Wochen Arbeit.
Schließlich verdienten viele Leute in der Brandtsheide ihren Lebensunterhalt durch das Fertigen und den Verkauf von Stellmacherholz, Spatenholz, Mulden und Schippen. Holzkohle wurde auch gebrannt.
1) Spatenholz, eigentlich "Splett", das waren ca. 8 cm breite und 30 cm lange Holzbrettchen, die als Unterlage für Dachziegel - Biberschwänze - benutzt wurden, wenn diese einfach verlegt wurden und sich gegenseitig nicht überdeckten.