dahnsdorf

Dahnsdorf

Beiträge zur Ortsgeschichte gesammelt und aufgeschrieben von Dahnsdorfer Ortschronisten 2002

Inhalt

Erinnerungen an meine Kindheit (Fritz Haseloff)
Zu den Dorfformen im Hohen Fläming (Joachim Herrmann)
Der Urnenfund an der Autobahn (Ernst Gutewort)
Der Wald in der Gemarkung Dahnsdorf (Eric Schroeder)
Dahnsdorf und der Deutsche Orden (Matthias Helle)
Ein Brief aus Wien im Juli 2002 (Helga Kästner)
Fleißige Archivare erleichtern den Dahnsdorfer Chronisten die Arbeit
Ein Blick auf unsere Kirche (Dieter Mehlhardt, Viola Pfeifer)
Aus den ersten Jahrhunderten nach der Ersterwähnung (Historisches Ortslexikon)
Nachrichten aus dem 16. Jahrhundert Vom Wirtschaftsbetrieb der ehemaligen Komturei in Dahnsdorf Visitationsbericht von 1555 über die Dahnsdorfer Ordensritter (Felix Mühlmann) Nachrichten aus dem 17. Jahrhundert (Historisches Ortslexikon) Vom großen Brand 1661 Nachrichten aus dem 18. Jahrhundert
Aus dem Historischen Ortslexikon Komturmüller fallen in Ungnade (Helga Kästner) Nachrichten aus dem 19. Jahrhundert
Meine Erlebnisse in den Kriegsjahren 1813 bis 1815 (Peter Haseloff) Ein Brand im Jahre 1843 (Peter Haseloff) Die Zarin von Russland und Dahnsdorfer Forellen (Zeitungsartikel 1934)
Ablösung der von Brückschen Rechte - 1834 Ein neuer Begräbnisplatz entsteht - 1890 Handel mit Ockerfarbe Die ehemalige Fasanerie (Ernst Krüger)
Nachrichten aus dem 20 Jahrhundert
Der Dahnsdorfer Bahnhof (Ernst Gutewort)
30 Schule und Lehrer (Rosemarie Bergholz, Isolde Wricke)
Lehrer kämpfen um ihre Rechte (Helga Kästner)
Die Pflichten der Enkelin - nach einem Kaufvertrag von 1923
Kino in der Gaststätte (Ernst Gutewort)
Aus dem Protokollbuch des Gemeindevorstands 1928 bis 1944 (Helga Kästner)
Vertriebene in Dahnsdorf und ihre Schicksale (Ernst Gutewort)
Der Krieg erreicht auch unser Dorf (Fritz Haseloff)
Regesten (Matthias Helle)
Sachwortverzeichnis

ERINNERUNGEN AN MEINE KINDHEIT

Fritz Haseloff, geb. am 19.03.1933 in Dahnsdorf, Hauptstr. 36
Unser Jahrhundert mit zwei Kriegen wird dramatisch genannt, aber waren die Jahrhunderte davor nicht ebenso mit Sorgen und Mühsal überschattet? In unserer Chronik sollen viele Dahnsdorfer zu Wort kommen. Alle Berichte zusammen werden ein Bild der vergangenen Jahrhunderte zeichnen. Also will ich beginnen. Seit Jahrzehnten sammle und notiere ich das, was in eine Ortschronik passen könnte. Nun helfen noch einige andere. Alle zusammen hoffen wir, dass die Leser genügend Stoff zum Diskutieren und Nachdenken finden und dass wir wenigstens einige Fragen der Nachunskommenden beantworten können. Ich wurde in eine Zeit hineingeboren, in der ein Machtwechsel stattgefunden hatte. Aber von den Auswirkungen sollte ich erst später etwas bemerken. Ein Sohn war in einem landwirtschaftlichen Betrieb immer willkommen. Vom vierten Lebensjahr ging ich bis zur Schuleinweisung in den Kindergarten in Dahnsdorf, der zur damaligen Zeit sein Domizil im Jagdhaus vom Fliegerpiloten Hans Grade (Richtung Kranepuhl vor der Bahn auf der rechten Seite) hatte. Die Kindergärtnerin war eine Nichte vom ersten deutschen Motorflieger Hans Grade, der in Borkheide seine Flugzeuge baute, den Lanzpreis 1912 gewann und bei vielen Vorführungen als Sportflieger in Deutschland gefeiert wurde. Ich verbrachte mit meinen Geschwistern, Schwester Edeltraut (geb. 1931) und Bruder Helmut (geb. 1937), auf unserem Hof eine glückliche Kindheit. Meine Eltern bewirtschafteten einen Hof von 36,00 ha, der nachweislich von 1698 im Familienbesitz ist. Ich wurde am 5. Mai1933 in der Kirche zu Dahnsdorf von Herrn Pastor Goede getauft. Wie es zur damaligen Zeit üblich war, hatte ich 10 Paten. Es waren Onkel, Tanten und die Nachbarn. Als Arbeitskräfte für unseren Hof hatten wir zwei Kutscher und eine Magd, die in Kost und Logis untergebracht waren. Wir hatten fünf Zugpferde, davon drei Belgische eingetragene Kaltblut-Zuchtstuten, womit mein Vater Pferdezucht betrieb. Des Weiteren hatten wir im Durchschnitt 20 Rinder, davon sechs bis sieben Milchkühe, 30 Schweine, davon zwei Sauen und sechs bis acht Schafe, 30 Hühner, Gänse und Enten für den eigenen Bedarf. Gemüse für die Küche kam aus dem 300 qm großen Garten. Die Früchte, die zur damaligen Zeit auf den Feldern angebaut wurden, waren Roggen, Weizen, Hafer, Wintergerste, Sommergerste, Raps, Lein, Zuckerrüben, Futterrüben, Kartoffeln und für das Vieh Grünfutter, wie Klee und Luzerne. Jeder größere Besitzer im Dorf hatte einen eigenen Backofen, in dem alle 14 Tage Brot für die eigene Versorgung gebacken wurde. Das Mehl dafür wurde bei den zwei Wassermühlen an der Plane gegen Roggen eingetauscht. Jedes Gehöft hatte seinen eigenen Brunnen für die Versorgung von Mensch und Tier. Die Brunnen waren aus Feldsteinen und hatten eine Tiefe von fünf bis sieben Meter. Als im Jahre 1977 der Dahnsdorfer Bach tiefer gelegt wurde, versiegten fast alle Brunnen im Dorf. Das Kriegerdenkmal im Dorf wurde im Jahr 1935 eingeweiht. Das war später als in anderen Orten, die einen starken Kriegerverein hatten. Das Denkmal sollte an die Gefallenen des Ersten und später auch des Zweiten Weltkrieges erinnern. Polizeilich wurde Dahnsdorf von Niemegk verwaltet. Jeden zweiten Tag kam der Polizist Hartlieb, vor dem wir einen mächtigen Respekt hatten, mit seinem Pferd nach Dahnsdorf geritten und hielt auf dem Gutshof seine Sprechstunden ab. Bis Anfang des Krieges 1940 war es noch üblich im Ort, dass die Kinder am Aschermittwoch mit einem Birkenreisigstrauß zu den Paten und Nachbarn gingen und sich eine Brezel oder Süßigkeiten forderten. Wir hatten eine Schnur um den Hals gelegt, an der die Gaben aufgehängt wurden. Mit dem Reisigstrauß wurden die Beine der Frauen getätschelt und dazu ein Spruch aufgesagt: „Ascher, Aschermittewoche, Brezel kost in Silbergroschen, lot mei nich so lange stoan, ich will noch in bisschen weitergoan." Durch den Autobahnbau, Beginn im Jahre 1936, konnte die Arbeitslosigkeit mächtig eingeschränkt werden. Das Roden der Stämme wurde mit Pferden durchgeführt. Viele Erdarbeiten sowie alle Böschungsbegradigungen wurden per Hand erledigt. Die Erdebewegungen wurden mit mehreren Schmalspurbahnen von den Erhöhungen zu den Tälern transportiert. Die Einweihung der Autobahn fand im November 1938 statt. Es hatten sich viele Hunderte Menschen dazu auf der Autobahnbrücke eingefunden. Bei den Erdarbeiten in Richtung Berlin wurden Urnen und Gräber aus der Zeit 500 vor Christus entdeckt. Der Niemegker Schulleiter stellte sie auf dem Schulboden aus, beschriftet und beschrieben. Leider achtete nach dem Krieg niemand auf die wertvollen Stücke. Nur wenig hat im Museum überlebt. Auch unser Lehrer behielt im Schulschrank einige Anschauungsstücke. Ich wurde am 1.Juli 1939 in die Schule Dahnsdorf, eine 8-klassige Dorfschule, mit zwei Mädchen und sechs Jungen eingeschult. Alle Klassen wurden in einem Raum unterrichtet. Der Lehrer Mielke hatte seine Wohnung im Schulhaus. Er unterrichtete alle acht Klassen und führte auch den Religionsunterricht durch. Der Konfirmandenunterricht wurde vom Pastor Rexin abgehalten. Dahnsdorf hatte zur damaligen Zeit noch einen Pfarrer, der für Dahnsdorf und Kranepuhl zuständig war. Die Konfirmandenjungen mussten sonntags den Blasebalk für die Orgel betätigen. Die Leichenbestattungen wurden grundsätzlich vom Trauerhaus durchgeführt, denn es war keine Leichenhalle vorhanden. Wir Konfirmanden mussten singend den Trauerzug vom Trauerhaus bis zum Friedhof begleiten. Bei verstorbenen Männern, die dem Männergesangsverein angehörten, marschierte der gesamte Verein mit Fahne und Musikkapelle zum Friedhof. Der Schulunterricht dauerte für alle Klassen von 8 bis l2 Uhr. Zur Schule gingen wir in Schuhen, die aber danach gegen Holzpantoffeln ausgetauscht wurden (Kostenfrage). Die Holzpantoffel wurden, passend für jedes Kind, von Herrn Möbius aus der Lindenstrasse hergestellt. Spielzeug für Kinder gab es kaum, dafür gaben Eltern auf dem Dorf kein Geld aus. Unter Anleitung der Älteren bastelten wir aus Weidenästen Flitzbogen zum Schießen, Flöten aus Erlenholz, Schiffe und bald auch Flugzeuge. Wir kannten Pinnen spielen, Hopse, Murmeln kullern und Drachen fliegen lassen. Im Frühjahr standen bei Jungen über 10 Jahren auf dem Plan das Vogelnester-Ausnehmen, z. B. Krähen, Habicht, Bussard und Elstern. Die Eier wurden ausgepustet, gebraten und die Schalen auf eine Schnur gezogen und sichtbar aufgehängt. In den Wintermonaten wurde der Dahnsdorfer Bach hinter der Bahn angestaut, so dass die Wiesen überflutet waren. Er war damals noch nicht ausgebaut. Die Eisbahn war 100 m lang und 50 m breit, gut geeignet zum Schlittschuhlaufen. Schlitten fuhren wir bei Schnee in der Kiesgrube vor der Autobahn (Mischplatz). Zur Lebensweise auf einem Dorf im Fläming wäre viel zu erzählen. Das Federnreißen, das alle zwei Jahre bei jedem Bauen durchgeführt wurde, war für die Frauen eine gemütliche Tratschrunde in den Wintermonaten. Hinterher gab es Kaffee und Kuchen. Hierbei wurden auch alle Geschehnisse, die im Dorf vorkamen, ausgewertet. Die Bauernhochzeiten wurden im Ort immer donnerstags in den zwei Gasthöfen gefeiert. Hier waren es meistens bis zu 150 Personen. Am Abend davor war der Polterabend, am Nachmittag kamen die Kinder vom Dorf mit Porzellanscherben zum Poltern. Sie bekamen von der Braut ein Stück Polterkuchen (Streuselkuchen). Am Abend wurden von den geladenen Jugendlichen die Girlanden für die Kirche und das Brauthaus gewunden. Die Scherben, so war es Brauch, mussten von den Brautleuten vor Sonnenaufgang am nächsten Tag weggeräumt sein. Ich denke, die Wurzeln für unser heimatkundliches Interesse hat schon unser Lehrer in der Schule gelegt. Heute unterhalten wir uns gern darüber mit den Gleichaltrigen, was die ältere Generation uns über früher erzählt hat. Leider blieb es beim Erzählen, Aufgeschrieben wurde selten. Deshalb ist auch der Fund des Tagebuches von Peter Haseloff (um 1820) für uns heute, 200 Jahre später, eine besondere Überraschung. Aber davon später.