Brück

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Beiträge zur Geschichte der Stadt

Band 2 Von Gewerken, Gilden und Zünften Von Kirchen und Schulen

Von Kurt Zoglowek erarbeitet 1952-1962

Inhalt Band 2

IX. Von den Gewerken, Gilden und Zünften
1. Das Handwerks- und Innungsleben vergangener Zeit
2. Die Zeug- und Leineweberzunft

a. Das Alter der Zunft b. Vom Flachs zum Lein c. Das Färben der Stoffe
3. Die Schmiede- und Schlosserinnung
a. Von der Arbeit der Schmiede b. Statut der Schmiede- und Schlosserinnung von 1852 c.. Aus dem Leben des Brücker Huf- und Waffenschmiedemeisters Johann Friedrich Wernicke
4. Das Brauergewerk
a. Aus der Geschichte der Brauerei b. Die Braugerechtigkeit im Belziger Amte c. Die Biersteuer d. Die Brauordnung vom Jahre 1811
5. Die Schützengilde
a. Die Gründung der Brücker Schützengesellschaft b. Der Zweck der SchützengesellschaŁt c. Die Schützenordnungen d. Die Einteilung der Schützengilde, ihre Fahnen, Königs- und Ritterketten 6. Von anderen Innungen a. Die Fleischerinnung b. Die Bötttcher-, Tischler-, Stellmacher-und Drechslerinnung c. Die Schuhmacherinnung d. Die Bäckerinnung e. Die Bauhandwerkerinnung
X. Die Kirchen in Brück und ihre PŁarrer
1. Die kirchlichen Verhältnisse in katholischer Zeit a. Die Rückeroberung der slavischen Gebiete und die Gründung des Bistumss Brandenburg b. Die Kirchenbauten in unserm Kreise c. Die Propstei Belzig
2. Die Kirchen und ihre Einrichtungen
1. Die Kirche in Brück a. Die Urkunden b. Zur Geschichte der Kirche c. Lage, Bauart, Größe und Name d. Der Elendenaltar in der Kirche e. Das Innere der Kirche und die Sitzordnung von 1860 f. Von den Glocken, der Turmuhr und der Orgel g. Die wertvollen Abendmahlsgeräte h. Die Begräbnisplätze und die Grabgewölbe in der Kirche zu Brück
1. Der FriedhoŁ an der Kirche
2. Die Grabgewölbe in der Kirche 3. Der Gottesacker vor dem Tore 4. Der neue Friedhof an der Neuendorfer Straße.
i.Die Grundstücke der Kirche k. Einnahmen und Gerechtsame der Kirche l. Einzelnachrichten
II. Die Kirche zu Rottstock
a. Das A1ter der Rottstocker Kirche b. Die Sage vom Mühlstein im Rottstocker Kirchturm c. Nachrichten aus dem Mittelalter d. Aus einem alten Kirchenrechnungsbuche des Jahres 1760 e. Altar und Kanzel in der Kirche f. Weitere .Ausstattungsstücke g. Das Vermögen der Rottstocker Kirche h. Die:Urkunden i. Nachrichten aus dem 19. und 20. Jahrhundert
3. Die Pfarrhäuser in Brück und Rottstock
I. Die Pfarre zu Brück a. Das Pfarrhaus b. Die Wirtschaftsgebäude c. Das Vermögen der Oberpfarre d. Die zehntbaren Grundstücke der Oberpfarre II. Das Diakonat zu Brück III. Die Pfarre zu Rottstock
4. Die Pfarrer
a. Nachweisung über die vom Oberpfarrer zu Brück zu besorgenden Geschäfte b. Die Oberpfarrer zu Brück c. Die 2. Geistlichen oder Diakone d. Die Pfarrer zu Rottstock e. Lebensschicksale einzelner Brücker Pfarrer
1. Michael Styfel 2. Die Familie Meinhof im siebenjährigen Kriege 3. Joachim Leonhard Hacker 5. Die Kirchenvisitationen
a. Die erste Kirchen- und Schulvisitation im Amte Belzig 1530 b. Die zweite Visitation 1534 c. Das Wittenberger Konsistorium d. Die dritte Kirchenvisitation e. Die vierte Visitation 1575 f. Die Generalkirchenvisitation 1888 g. Ein 400jähriger Jubeltag und Generalkirchenvisitation am 2.11.1930 h. Generalkirchenvisitation am 25. und 27. Mai 1948
XI. Die Schule und ihre Lehrer
1. Die Entwicklung des Schulwesens 2. Die Schulgebäude.
a. Das alte Schulhaus in Brück b. Das neue Schulhaus in Brück c. Das Rottstocker Schulhaus
3.. Das Einkommen der Lehrer und das Vermögen der .Schulstellen
a. Verzeichnis der Grundstücke und Realgerechtigkeiten des Kantorats b. Verzeichnis der Grundstücke und Realgerechtigkeiten der Kollaboratur c. Verzeichnis der Grundstücke und Realgerechtigkeiten der Küsterei
4. Die Lehrer
a. Die Lehrer in Brück b. Die Lehrer in Rottstock

IX. Von den Gewerken, Gilden und Zünften

1. Das Handwerk- und Innungsleben vergangener Zeit Schon im Mittelalter traf das Wort zu, daß das Handwerk einen goldenen Boden hat. Unzählige auf uns überkommene Urkunden und Zeugnisse künden davon, und zwar aus einer Zeit, in der das Handwerk aus den Fesseln des Lohnwerks befreit und selbständig wurde. Der Meister konnte sein Gewerbe in eigener Werkstatt mit eigenem Handwerksmaterial unter Mitarbeit von Gesellen und Lehrlingen betreiben, und so kam nach und nach der gesamte Handwerkerstand bei Fleiß und gediegener Arbeit zu Wohlstand und Ansehen. Das märkische Handwerk hat dabei mit eine führende Rolle eingenommen. Seine Selbständigkeit geht bis tief in das Mittelalter zurück. Das Genossenschaftswesen kam zur Blüte und alle in der Stadt an ein und demselben Gewerbe beteiligten Handwerker vereinigten sich zur Förderung gewerblicher und auch geselliger Zwecke zur Zunft, Innung oder Gilde. So war es in allen Städten, die auf ein beträchtliches Alter zurückblicken können. Dazu gehörten in erster Linie die Schützengilden, die Leineweber-, Schneider- und Schmiedeinnung, die der Schuster und Pantoffelmacher, der Böttcher und Drechsler, der Tischler, Zeug- und Rademacher wie der Stellmacher. Jede Zunft besaß ihr eigenes Versammlungslokal. Hier versammelten sich zu bestimmten Zeiten unter dem Vorsitz des Zunft- und Obermeisters die Zunftgenossen. Auch die Gesellen bildeten zur Förderung ihrer Interessen Innungen, die vom Altgesellen geleitet wurden. Jedem in die Innung neu eingetretenen Meister trank der Zunftmeister den "Willkommen" zu. Diese "Willkommen" waren aus Zinn hergestellte Pokale, geschmückt mit Schaumünzen, Zierbändern, Innungsabzeichen, Stadt- und Meistermarken in oft reichlicher Ziselierarbeit. Im übrigen erinnern die Pokale an die Zeiten, in denen ihr Zinn noch silberhaft glänzte und in denen sie nach strenger Zunftregel von Hand zu Hand, von Mund zu Mund zu fröhlichem oder feierlich-ernstem Rundtrunk wanderten. "Mit Gunst" war dabei die Losung, die immer wiederkehrte. Darüber hinaus hatten die Zünfte und Innungen ihre eigenen Wirtshausleuchter, Siegelstempel, Innungsschlüssel, Herbergsschilder, Innungszepter und Fahnen. Die prächtigen Ausführungen dieser Gegenstände zeugten von einem hohen Können des mittelalterlichen Handwerks, bei dem nicht die schablonisierte Arbeit, sondern die individuelle künstlerische Eigenart nach eigenen Ideen und Entwürfen ausschlaggebend war. Wer früher Meister werden wollte, mußte das Bürgerrecht erwerben und dabei den Bürgereid leisten. Jede Innung hatte auch ihre eigenen Statuten. Durch den 30jährigen Krieg geriet auch das Handwerk in Verfall, und ein von Mißbräuchen durchseuchter Innungszwang trat ein, der zwischen Meistern und Gesellen Uneinigkeit im Gefolge hatte. Um diese Auswüchse zu beseitigen, erschien vom Kaiser Karl VI. im Jahre 1731 das "Patent wegen Abstellung derer Mißbräuche bey den Handwerckern". Auch durch Friedrich den Großen erschien im Jahre 1783 ein Edikt "wegen Abstellung einiger Mißbräuche besonders des sogenandten Blauen Montags bey den Handwerkern". So ist durch Überlieferungen und Zunft- und Innungszeichen manches Stück alten handwerklichen Brauchtums in märkischen Städten auf uns gekommen. (1) Nicht jeder Bursche konnte Handwerker werden. Mancherlei Bedingungen waren mit dem Eintritt in die Lehre bei einem zünftigen Meister verbunden. Seine ehrliche Geburt und seine deutsche Abstammung mußte der angehende Lehrbursche, falls es nicht ein bekannter Meistersohn war, unbedingt nachweisen. Dreimal nach Handwerksgebrauch mußte sich der Lehrlingsanwärter beim Gewerk melden. Darüber wurde, wie über alle Innungsangelegenheiten ein Protokoll aufgenommen. Hatte der Lehrling seine Lehre beendet oder ausgestanden, so wurde er nach den alten Zunftregeln feierlich bei Kerzenschein los- und freigesprochen. Feierlich wie jede Handlung im Innungsleben war auch die Lehrlingslossprechung. Dem neugebackenen Gesellen wurde dann der Lehrbrief ausgehändigt, deren "Copia" der Innung verblieb. (1) Aus dem Jahre 1740 liegt mir ein solcher Lehrbrief vor, den ich in Abschrift beifüge: Lehr-Brief des Handwerks der Zeug- und Leineweber in Brück Wie Endes benannte, der Zeit verordnete Ober-, Elteste-, Vor- und andere Meister des Handwercks der Zeug- und Leineweber allhier, Urkunden und bekennen mit diesen unsern offenen Brieffe gegen jedermänniglich, dem er zu sehen, hören oder lesen vorkomt, wünschen ihm auch unsern freundlichen Gruß und alles liebes und gutes, und fügen demselben hierdurch zu vernehmen, daß gegenwärtiger, Ehrengeachteter und benahmter Gesell Martin Gottlob Hoffmann vor unß erschienen und unß zu erkennen gegeben, wie er wegen seines ehrlichen erlernten Handwercks eines glaubwürdigen Scheines und Zeugnißes benöthiget sey, mit geziemendem Ersuchen, ihm daßselbige unter E.E.Handwerckes Innsiegel mitzutheilen. Da wir nun ein jeden Wohlfahrt, so viel als möglich zu befördern uns oblieget und die Wahrheit zu bezeugen schuldig, also haben wir ihm sein billiges Ansuchen nicht abschlagen können, Bezeugen demnach hiermit und in Kraft dieses, daß oben erwehnter Martin Gottlob Hoffmann am 29. Septbr. 1733 bey unsern Mit-Meister Christian Friedrich Hoffmann das Zeug- und Leineweber Handwerck drey Jahr zu erlernen, vor gesamten Handwercke und offener Lade aufgedinget und solche Lehr-Jahre richtig und redlich ausgestanden, sich auch solche Zeit über fleißig, fromm und getreu, wie es einem Gottesfürchtigen und ehrliebenden Lehr-Jungen gebühret, gegen seinen Lehr-Meister und jedermann verhalten und von demselben vor dem gesamten Handwercke und offener Lade am 29. Septbr. 1736 frey und loßgezehlet worden. Gelangt derowegen an alle, was Hoheit, Ehren, Würden, Wesen oder Standes dieselben sein möchten, fürnehmlich aber an die löbl. Zunft der Zeug- und Leineweber, unser dienstfreundliches Bitten, Sie wollen diesen unsern gegebenen Brieff vollkommen Glauben beymeßen, mehrerwehnten Martin Gottlob Hoffmann wegen seiner wohl ausgehaltenen Lehr-Jahre und ehrlichen Verhaltens, alle Beförderung und geneigten Willen zu erweisen, als wo er sich niederzulassen gedencket, in ihre Zunft und Innung zu einem Mit-Meister auf und anzunehmen, und also dieser unsere gegebene Kundschafft fruchtbar genießen laßen. Solches wird er nicht allein mit schuldigen Danck erkennen, sondern wir sind auch erböthig, solches gegen jeden der Gelegenheit nach willig zu verschulden. Uhrkundlich deßen haben wir diesen Lehr-Brieff mit unserm Handwercks Siegel und gewöhnlicher Unterschrift bekräfftiget. Gegeben Brück den 3. Ocktbr. Im Jahre unsers Erlösers und Seligmachers Jesu Christi Geburth des Ein Tausend Sieben Hundert und Ein und Vierzigsten Jahres L.S. Johann George Wiesenburg Johann George Albrecht Johann Andreas Gnaucke. (Aus dem Stadtarchiv Nr. 492, "Zeug- und Leinewebergewerk", Akten von 1738 - 1741, betr, Handwerksangelegenheiten.) Wenn der junge Geselle es nicht vorzog, beim Lehrmeister weiterzuarbeiten, so begab er sich auf Wanderschaft. Wandern war im Mittelalter und noch bis in die Zeit unserer Väter im Handwerksleben eine Hauptbedingung zur Erlangung des Meistertitels. Mit Verachtung blickte der gewanderte Geselle herab auf den, "der da gesessen stets daheim, hinterm Ofen und hinter der Höll', an der alten Weiber Stell'!" Nur wer gereist war, konnte etwas erzählen und zur allgemeinen Unterhaltung beitragen. Wer gedächte nicht des schönen Spruches, der am blauen Montag in den Gesellenherbergen und Gaststätten gesungen wurde: "Wenn Montags wir zusammen sind und unsre Reisen zählen, da möchte manches Hätschelkind sich bald zu Tode quälen, das nur in seiner Mutterstadt beim Vater ausgelernet hat, und helfen, Rüben schälen!" Der Ausklang des Gesellenliedes ist zweifellos eine Anzapfung auf die Meistersöhne, die vom Wanderzwang befreit waren. Doch auch so mancher Meistersohn zog in die lockende Ferne, denn mit der Wanderschaft eröffnete sich dem hinausstrebenden Gesellen eine posiereiche Zeit in seinem sonst so nüchternen Dasein. Wer etwas gelernt hatte, den Lehrbrief als Ausweis in der Tasche und die Handwerksbräuche im Kopfe, der kam überall durch, und sein Gewerbe bot dem ärmsten Wandergesell die Mittel zum Fortkommen. Wenn der Geselle einige Jahre als solcher gearbeitet hatte und sich ihm Gelegenheit bot, selbständig zu werden, meldete er sich bei der Innung an. Dreimal, so wollte es der Innungsbrauch, mußte der angehende Meister vor der versammelten Innung erscheinen. War es ein Meistersohn aus der Stadt, so hatte es keine Not mit dem Meisterwerden. Aber wehe, wenn es ein fremder und dazu unbeliebter Geselle war. Er konnte nach allen Regeln der Kunst schikaniert werden. Die Erwerbung des Meisterrechts wurde ihm durch hohe Gebühren, durch allerlei Ränke und Kniffe verleidet. Doch waren diese Äußerungen eines krankhaften Zunftgeistes im allgemeinen nur Konkurrenzneid, also menschlich verzeihliche Auswüchse. Jede Zeit hat eben ihre Licht- und Schattenseiten. Bei allen Gilden und Zünften hielt man sehr strenge darauf, daß sich alle Mitglieder eines sittsamen und ehrenhaften Verhaltens befleißigten. Wer es daran mangeln ließ, wurde bei kleineren Übertretungen der Statuten mit Geld-, Bier-, Wachs- und anderen Bußen belegt. Bei gröberen Pflichtverletzungen wurde der Täter schonungslos ausgewiesen. Ein gesittetes Verhalten glaubte man aber vorzugsweise nur bei solchen Personen erwarten zu können, welche sich auf Vater- und Mutterseite eines untadeligen Herkommens zu erfreuen hatten, "ihren Adel", wie man es nannte, erweisen zu können, nämlich aus rechter Ehe von wohlberüchtigten Eltern deutscher Abkunft geboren zu sein. Nicht bloß von den tätigen Gliedern der Zunft, den Männern, forderte man diesen Nachweis, später bestimmte man auch in Ansehung von Frauen und Jungfrauen, welche ein Gildegenosse zum Weib nehmen wollte, daß sie in gleicher Weise wie die Männer "ihren Adel" bewiesen mußte. 2. Die Zeug- und Leineweberzunft in Brück a. Ihr Alter Sie ist wohl die älteste Innung unserer Stadt und wird schon 1648 und 1659 in den alten erhalten gebliebenen Kirchenkassenrechnungen, wie auch 1792 in der ältesten Ratsordnung der Stadt erwähnt. Es kann aber angenommen werden, daß sie noch viel länger besteht. Es fehlen nur die Urkunden. 1878 hatte sie 34 Mitglieder, 1885 wird sie aufgelöst. eine Neugründung 1885 hatte nur eine kurze Lebensdauer. Ein Statut dieser Innung datiert vom 30.8.1850 ist aber nicht bekannt. 1738 werden in den Akten der Zeug- und Leineweberzunft in Brück folgende Meister genannt: 1. Johann Georg Wiesenburg, Hauptstr. 130 2. Gottfried Tietze, Hauptstr. 20 3. Martin Henning, Hauptstr. 44 4. Andreas Blume, Hauptstr. 18 5. Peter Linthe, sen., Hauptstr. 74 6. Michael Schwein zu Rottstock 7. Michael Linthe zu Linthe 8. Caspar Blume, Hauptstr. 104 9. Martin Jordan, Hauptstr. 16 10. Johann George Albrecht 11. Peter Tietz aus Gömnigk 12. Andreas Borgmann, Hauptstr. 85 13. Nikolaus Brademann, Hauptstr. 16 14. Christian Friedrich Hoffmann 15. George Zirnstein, Hauptstr. 36b 16. Martin Linthe, Hauptstr. 58 17. Peter Linthe, jun., Hauptstr. 74 18. Friedrich Siegert, Mittelreihe 20 19. Johann Andreas Gnaucke 20 Andreas Richter 21. Johann Caspar Woyte, Eisenbahnstr. 7 1739 kommen dazu: 1. Johann George Blume, Hauptstr. 18 2. Johann Adam Tietz, Hauptstr. 20 3. Christian Heinrich Schwartze, Hauptstr. 78/79 4. Martin Senst zu Gömnigk Wer in Brück das Meisterrecht erwerben wollte, mußte sein Meisterstück von den Meistern der Zunft in Gegenwart eines Ratsvertreters besehen lassen. Dasselbe mußte 30 Ellen lang sein und in Kamm und Blatt 38 Gänge aufweisen. Für die Besichtigung mußte ˝ Faß Bier und eine Mahlzeit für die Meister und ihre Frauen gegeben, das Meistergeld an den Acciseeinnehmer gezahlt, desgleichen Branntwein, Pfeifen und Tabak wie Licht gespendet werden. Der neue Meister mußte durch Handschlag geloben und versprechen, den Handwerksmeistern in Sachen des Handwerks gehorsam zu sein. Erst dann wurde er vor der offenen Lade von sämtlichen Handwerksmeistern zum Meister proklamiert. Jeder fremde Geselle mußte seinen Geburts- und Lehrschein im Original vorlegen. Abgehalten werden Morgensprachen und Quartalsversammlungen. Zu den Begräbnissen von Innungsmitgliedern müssen die Mitglieder der Zunft folgen, auch die Witwen, wenn sie nicht in eine Strafe von 6 Groschen fallen wollten. Die Jungmeister waren nicht nur verpflichtet, eigene Mitglieder der Zunft, sondern auch angesehene Bürger aus der Stadt mit der Bahre auf den Friedhof zu tragen und zu begraben. Daraus geht die Bedeutung der Zunft der Leineweber hervor. Für wandernde Gesellen war bei einem Meister eine Herberge eingerichtet. b. Vom Flachs zum Leinen Zu den vielen genannten Leinewebern in Brück traten später auch die Garnweber und Zeugmacher (1819 in den Kirchenrechnungen aufgeführt) und das Schneidergewerk (schon 1688 genannt, 1792 in der alten Ratsordnung aufgeführt). Sie verbrauchten eine erhebliche Menge an Hanf und Flachs als Rohmaterial. Somit muß der Flachsanbau hier recht bedeutend gewesen sein. Die Kirche erhebt den Zehnten von dem Ertrage der Felder, ja, es kann wohl behauptet werden, daß die Leineweberei und die Tuchmacherei zu den wichtigsten und bedeutendsten Nahrungszweigen der Stadt gehörten. Der Leinenstoff wurde aus Flachs gewonnen. Aus den Fasern des Flachses wurde das Garn gewebt, das bei unseren Vorfahren auf dem Spinnrade hergestellt wurde. Der Flachs wurde im April, meist im Mai recht dick ausgesät. Je dichter der Flachs stand, um so länger wurden die Pflanzen, um so länger natürlich auch die Fasern. Nach dem Aufgehen wurde das Unkraut gejätet. Der Flachs erreichte im Durchschnitt eine Höhe von 50 - 100 cm und hatte blaue Blüten. Im Monat August nach der Roggenernte wurde er geerntet. Mit der Hand wurden die Pflanzen aus dem Boden gezogen und in kleine Bündel gebunden. Diese kamen nach dem Trocknen auf dem Felde zunächst auf den Hof. Es mußten hier zunächst die Samenkapseln entfernt werden. Dazu benutzte man ein Reep. Ein solches Gerät bestand aus mehreren eisernen Kämmen, die auf einem Holzbock befestigt waren. Die Stengel wurden durch die Zinken hindurchgezogen, bis die Samenkapseln restlos entfernt waren. Diese wurden dann auf den Boden geschüttet, wo die Samen nachreifen sollten. Später wurde derselbe gedroschen, gereinigt und als Viehfutter oder zur neuen Aussaat im kommenden Jahr verwendet. Die Flachsstengel aber wurden gerötet, d.h., geröstet. Bei diesem Verfahren wurden aus den Stengeln die Fasern gewonnen. Die Trennung der Fasern von den Stengeln erreichte man durch "Röten". Man unterschied die Tau- und Wasserröste. Vielleicht hat man in Brück die Tauröste angewandt, da hier kein Flurname auf das Rösten hinweist. In Rottstock wurde die Plan zur Wasserröste benutzt. Man band die Stengel in Bündel und legte diese auf das Feld zur Tau- oder in das fließende Wasser zur Wasserröste. Wenn sich nun die Flachsbündel nach 14 Tagen braun färbten, war das "Röten" beendet. Dann zerbrachen die Stengel leicht. Die nassen Stengel wurden an der Luft oder im Backofen getrocknet, nachdem man sie in neue Bunde gebunden hatte, die etwa 64 Handvoll stark waren. Sieben bis acht Stunden dauerte das Nachrösten. Jetzt war der Flachs fertig zum "Brakken" oder "Braken", d.h., Brechen, das mit der Brake vorgenommen wurde. Dadurch erreichte man die Trennung der Bastfasern von den Stengelteilen. Die Brake war ein Holzgestell, an dem sich oben ein aus Holz gefertigter, drehbarer langer messerähnlicher Holzgriff befand, mit dem durch Abwärtsdrücken die darunter gelegten Flachsstengel zerbrochen wurden. Aber noch war der Flachs zum Spinnen nicht reif. Jetzt kam er auf den Schwingelbock, wo ihm durch ein Brett mit Griff, dem Schwingelbrett, auch "Klatsche" genannt, alle nicht zur Faser gehörigen Stengelteile abgeschlagen wurden. Dadurch wurden auch Faserteile mit vernichtet. Dieser Abfall hieß die "Schwingelhede". Sie wurde zur Herstellung von starkem Garn oder von Säcken verwandt. Nun wurde der Flachs "gehechelt". Auf einem dicken Brett von viereckiger Form befanden sich spitze eiserne Zähne, durch die der Flachs hindurchgezogen wurde. Nun war eine reine zum Spinnen brauchbare Faser gewonnen. Auch bei dieser Prozedur blieb Hede übrig, die ebenfalls zu starkem Garn (Strippen) verarbeitet wurde. Einige Handvoll des fertigen Flachses wurden zopfartig zur "Knospe" zusammengedreht.