Brandsheide >

Inhalt

Mit 75 Jahren zum Kamingespräch auf Schloss Wiesenburg eingeladen................3
Die Grafen auf der Herrschaft Wiesenburg und
ihre Förster Kruhl und Mommert im Forsthaus Glashütte im 19./20. Jahrhundert...............4
Die Zeit derer von Watzdorff auf Wiesenburg im 19. Jahrhundert.................6
Die Familie von Fürstenstein, Besitzer des Gutes Ullersdorf, Kreis Rothenburg OL, und ihr Wildhüter
Johann Gottfried Emil Kruhl.......11
Die Familie von Fürstenstein sowie ihr Leibjäger und
Förster Adolf Gustav Kruhl........13
Die Gräfin Elisabeth von Fürstenstein
in den Lebenserinnerungen meiner Mutter..........20
Die Grafen von Wiesenburg und
der Revierförstcr Wilhelm Mommert.....22
Oberforstmeister i. R. Julius Hubertus Mommert..............30
Kurzer Blick auf die Jahre nach Kriegsende 1945......... 44

Die Waldregion der Brandts von Lindau

Die ehemalige Grafschaft Wiesenburg/Mark ist Teil der Brandtsheide und somit auch der Märkischen Heide. Sie befindet sich auf dem Hohen Fläming im S/W des Alt-Kreises Zauch-Belzig, heute zum Landkreis Potsdam-Mittelmark gehörig. Die Begrenzung findet man, im Uhrzeigersinn betrachtet, mit den Orten Setzsteig, Zipsdorf, Reppinichen, Arensnest, Steindorf und Borne.
Das Wort "Heide" stand im Mittelalter für den Wald. Wer heute hier Heide (Calluna Vulgaris) sucht und findet, muss schon Glück haben oder auf alte Schießplatzflächen gehen. Wiesenburg liegt 10 km südwestlich von Belzig. Spätestens im Heimatkundeunterricht der Volksschule Jeserigerhütten lernte ich bei Lehrer Wilhelm Niens, dass es nach der flämischen Siedlungszeit im 12. Jahrhundert in dieser Region einen häufigen Besitzwechsel gab.
1456 kaufte Friedrich von Brandt von den Brüdern Heinz und Albrecht von Kracht die Grafschaft Wiesenburg. Die Belehnung erhielt er vom Kurfürsten Friedrich den K. von Sachsen. Das Gebiet bedeutete auch Grenze der sächsischen Herrschaft. Es umfasst 153 km im Quadrat, zwei Drittel davon ist Waldbestand. Der Name Brandtsheide stammt aus jener Zeit. Der Wiesenburger Pfarrer Fähndrich schätzte ein: "Das Holz aber, worin sein Hauptreichtum bestand, hatte damals noch einen sehr geringen Wert." (7) Menschen prägten weiterhin das Antlitz des Waldes. Im 15. Jahrhundert waren die Urwälder durch Rodung, Brände und Hutung (Schafe hüten) bereits aufgelichtet. Der Chronist Fähndrich berichtet aus dem 16. Jahrhundert, dass im Schmalkaldischen Krieg " auch die schönen Waldungen um Wiesenburg außerordentlich verwüstet worden seien, und zwar durch Brandschaden".
(7) General Christoph Friedrich Brandt von Lindau erhielt als Kriegsheld zu dieser Zeit den Beinamen "von Lindau". Auch der 30-jährige Krieg hatte verheerende Waldverwüstungen zur Folge. Weiterhin hatten erhebliche Eingriffe, wie Holzbereitstellung für die Bautätigkeit, der Bedarf des Bergbaus usw., einen negativen Einfluss auf den Waldbestand. Beispielsweise "schloss Adam Friedrich Brandt von Lindau 1749 mit der Rothenburger Gewerkschaft einen Kontrakt über 24000 Klafter und 1752 über 3000 Klafter Kiefernholz jährlich ab". Außerordentlich schädlich waren noch im 18. Jahrhundert die Köhlereien sowie Teer- und Pechhütten, an welche die Orte Neuehütten, Jeserigerhütten, Reetzerhütten und Medewitzerhütten erinnern. Es verblieb trotzalledem eine waldreiche Gegend von immer weniger Laub- und immer mehr Nadelholz.
Bei den Erbteilungen und -streitigkeiten im Verlaufe der Jahrhunderte war der Wert des Waldes stets mit entscheidend. Im Ergebnis von Erbteilungen ergaben sich folgende Besitzverhältnisse:
1. Schmerwitzer Linie mit 5500 ha Wald.
2. Gliener Linie mit 1500 ha Wald.
3. Mahlsdorfer Linie mit 1600 ha Wald.
4. Wiesenburger Linie mit 2875 ha Wald, mit den Revieren Setzsteig, Spring, Glashütte und Hagelberg.
Die Grafschaft Wiesenburg ist Hauptgegenstand meiner Betrachtungen.
Mitglieder der Familie Watzdorff waren schon immer jagdlich und forstlich interessiert. So war z.B. Friedrich von Brandt (1682 - 1730) als Jagdjunker und Oberforstmeister im Staatsdienst tätig. Holzknechte oder Heidereiter versahen ihren Dienst zu jener Zeit in der Heide. Holzdiebstahl wurde mit dem Tode bestraft.
In Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs (Rezession). ob bei den Herren Brandt von Lindau oder den Erben von Watzdorff, von Fürstenstein, von Plauen und auch danach, diente der Wald stets als "Notgroschen". In solchen Zeiten wurde der Wald geplündert, daher der volkstümliche Begriff "Plunder- oder Plenterwald". Das Geld in der Kasse hatte und hat heute noch meist verlichtete Wälder zur Folge. Erst langsam setzte sich eine geregelte Forstwirtschaft durch.
Die Waldbesitzer machten bis 1848 von ihrem Jagdrecht ausgiebig Gebrauch. Nur sie besaßen das Jagdrecht, welches sie auch für Repräsentationszwecke ausgiebig nutzten. Die Heidereiter hatten vordringlich den jagdlichen Aufgaben zu dienen.
Benno Friedrich Brandt von Lindau, genannt der Reiche (1571 - 1625) hatte wiederholt den Kurfürsten Johann Georg von Sachsen als Jagdgast zu Besuch. "Es soll ihm hier so gefallen haben, dass er gewünscht hat, die Herrschaft Wiesenburg käuflich an sich zu bringen. Benno Friedrich soll als Kaufpreis gefordert haben, dass ihm an jedem Stamm seiner Waldungen ein Ei gelegt würde. Da sei der Kurfürst lächelnd von seinem Wunsche abgestanden. "(7)
1822 erlitt Heinrich von Watzdorff einen tödlichen Jagdunfall. Das Jagdrecht jener Zeit hatte Wilddieberei durch arme Leute und andere passionierte Bürger zur Folge. Es kam zu tödlichen Auseinandersetzungen mit den Heidereitern bzw. späteren Förstern. 1754 starb die ältere Familie Brandt von Lindau auf Wiesenburg aus und der Schwiegersohn Adam Friedrich August von Watzdorff trat die Erbfolge an, welche über Heinrich von Watzdorff bis 1822 und dann von seinem Bruder Curt Friedrich Gottlob von Watzdorff bis l848 fortgesetzt wurde.
Die Zeit derer von Watzdorff auf Wiesenburg im 19. Jahrhundert
Das Industrie-Zeitalter begann. Auch in Wiesenburg musste man sich darauf einstellen. "Vor allen Dingen suchte er (von Watzdorff d. Verf.) seine Waldungen, die mit sehr vielen schlagbaren Hölzern bestanden waren, zu nutzen und durch das Ausbeuten günstiger Conjukturen (Eisenbahnbauten) zu verwerthen, um dann auf die gewonnenen Geldmittel weitere Spekulationen zu gründen, die leer gewordenen Waldstellen aber mit schnellwachsenden (Kiefern) zu besäen und zu bepflanzen. "(7)
Graf Curt Friedrich Gottlob von Watzdorff (1800 - 1848) versuchte, wie oben dargestellt, neue Wege zu gehen. Er brachte u.a. in Erfahrung, dass Fürst zu Solms auf Baruth/Mark mit seinen großen Holzvorräten eine florierende Glashütte betrieb. Curt F. G. von Watzdorff besaß ebenfalls viel Holz und Quarzsand in der Brandtsheide, damit auch Holzkohle. Nun wollte er sich die Baruther Erfahrungen zunutze machen. 1830 ließ er in der Nähe von Jeserigerhütten (ehemalige Pechhütten) eine Glasfabrik errichten. Daneben entstand notwendigerweise ein kleines Runddorf mit einem Haus für den Geschäftsführer sowie 5 Häuser mit 14 Wohnungseinheiten für Glasbläser und die Hilfsarbeiter. Man nannte den kleinen Ort ebenfalls Glashütte. Die Fabrik "Glashütte Wiesenburg" wurde erst 13 Jahre betrieben, als ein Blitz im Herbst 1843 einschlug. Sie brannte ab, "ist wohl wieder aufgebaut, aber nicht wieder benutzt und später abgebrochen worden "(7). Es hatte sich herausgestellt, dass die Transportwege zu lang und damit zu teuer waren. Noch nach 100 Jahren fanden die Kinder von Glashütte bunte Glasbruchstücke, welche in Richtung Heideweg lagen. Aus dem Haus des Geschäftsführers wurde ein Forsthaus für den zuständigen Förster. Die Katen der Glasbläser wurden mehrheitlich Waldarbeiterhäuser. Über die Löhne der Glasbläser und Forstarbeiter gibt es keine Unterlagen und somit keine Antwort mehr. Es gibt aber einen Vergleich mit den Löhnen der Landarbeiter jener Zeit. Männer verdienten etwa 20 Groschen Tagelohn und Frauen 10 Groschen (1 Thaler = 30 Groschen).
Schon an genannten Beispielen ist zu sehen, dass man zu Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert im wesentlichen noch auf den Rohstoff Holz angewiesen war. Man erkannte, dass der Rohstoff Holz nicht unerschöpflich ist. Eine nachhaltige Rohholzbereitstellung musste gesichert werden.
Aus der Ehe des Grafen Curt Friedrich Gottlob von Watzdorff gingen der Sohn Curt Friedrich Ernst und die Tochter Elisabeth Luise Charlotte hervor.
Curt Friedrich Ernst von Watzdorff (1839 - 188l) setzte die Arbeit seines Vaters fort. Schon als Student kam er aus Halle nach Wiesenburg, nicht nur um zu jagen, sondern sich auch forstlicher und ökonomischer Angelegenheiten anzunehmen. Auch er erzielte einen großen Teil seiner Einnahmen aus der Forstwirtschaft. "Der sich stark entwickelnde Eisenbahnbau nach 1840 hatte einen großen Holzbedarf. Für Curt Friedrich ein Anlass, den Holzreichtum seiner Forsten gewinnbringend zu verwerten. Er ließ eine Holzbahn von Wiesenburg nach Coswig anlegen, mit der das Holz zur Elbe und von dort auf dem Wasser nach Magdeburg transportiert werden konnte. "(1)
Es ergab sich die Notwendigkeit, die Forstwirtschaft auf wissenschaftliche Grundlage zu stellen, um die Rentabilität der Grafschaft zu sichern. Graf Curt F. E. von Watzdorff erkannte als forstlich interessierter Mann die Zeichen der Zeit. 1874 trat er einem der ersten Forstvereine bei und befasste sich u.a. mit der Ökonomie der Forstwirtschaft. "Bis 1881 wurden auch die Forstlasten von der Herrschaft abgelöst. Die Forsten waren ursprünglich ein Teil der Allmende und konnten von allen gemeinsam genutzt werden, nicht nur zur Gewinnung von Nutz- und Brennholz, sondern auch von Waldstreu, zum Pilze- und Beerensuchen und als Weide für das Vieh."…"Die volle Übernahme der Forsten durch die Herrschaft ermöglichte erst einen rationellen Forstbetrieb." …"Allerdings wurden abgeholzte Flächen nur selten wieder zum Mischwald aufgeforstet. "(1)
"Da die Herrschaft durch die erwähnten Abfindungen mit Land einen großen Theil ihrer Ländereien einbüßte, so wurde diese Einbuße dadurch zu ersetzen versucht, dass ein großer Theil der sogenannten Rahneberge abgeholzt wurde. Im Übrigen sind im Wiesenburger Forst nur die regelmäßigen jährlichen Schläge eingehalten und dagegen sehr fleißig, auch zu Gunsten der sich immer mehr verlierenden Laubholzbestände, cultiviert worden. "(7)
Es entstanden großflächige Kiefern-Monokulturen (Kiefernforsten) durch Saaten oder Pflanzungen. Der Mischwald verlor seinen ursprünglichen Charakter. 1880 wurde die umfangreiche Landwirtschaft an Herrn Kühtz verpachtet. "Die Herrschaften behielten nur den umfangreichen Forstbesitz in eigener Verwaltung. Die 1879 eingeweihte Wetzlarer Bahn brachte die Möglichkeit, Nutzholz kostengünstig zu versenden. So entstand unmittelbar am Bahnhof (Wiesenburg) eine Sagemühle mit Dampfbetrieb, die 1883 zu arbeiten begann. "(1)
Weiterhin waren Furnier- und Daubenholz gängige Sortimente. Furnierholz wurde für die Möbelproduktion und Eichen-Daubenholz für die Herstellung von Fässern benötigt. Die Entwicklung erforderte ausgebildetes Forstpersonal. Den Bedürfnissen entsprechend mussten nach und nach qualifizierte Forstleute in Wiesenburg, Hagelberg, Setzsteig, Spring und Glashütte eingesetzt werden. Dem Forstpersonal oblag und obliegt heute noch die Verantwortung für die Begründung, Pflege, Nutzung, Nebennutzung und den Schutz des Waldes sowie der Jagdwirtschaft. Die Wünsche und Erfordernisse der Besitzer mussten fachgerecht umgesetzt werden.
Erste bekannte Oberförster/Forstmeister des Grafen Curt. F. E. von Watzdorff auf Wiesenburg waren im 19. Jahrhundert die Herrn Müller senior und junior. Man liest dazu bei dem Chronisten Fähndrich: "Nachdem Oberförster Müller sen. sich im hohen Alter am 1. November 1882 zur Ruhe gesetzt hat, hat sein Sohn, Oberförster Hugo Müller zu seinen Funktionen auch die Gesamtleitung des Wiesenburger Forstwesens übernommen, und so ist das Forstbureau und die Forstkasse aus der bisherigen Oberförsterei in die sogenannte "Expedition" des Wiesenburger Schlosses verlegt worden." (7)
Dem genannten Herrn Hugo Müller folgte ab 1903 Oberförster Karl Gebbers (1840 - 1917). Er stammte aus einer alten Försterfamilie und war vermutlich vor seiner Beförderung zum Oberförster als Förster in Glashütte tätig. Dazu folgender Hinweis: "Von besonderer Bedeutung für die Zukunft sind noch Landerwerbungen zu beiden Seiten des Bahnkörpers in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs (Wiesenburg, der Verf.), weil abgesehen von anderen noch zu erwähnenden Anlagen mittels deren man versuchen will, ausländische Koniphären zu akklimatisieren. Es entsteht so ein Betrieb, der in den letzten Jahren seines Lebens Herrn von Watzdorff ganz außerordentlich interessierte und beschäftigte und der von Förster Gebbers/Glashütte mit besonderem Glück geleitet wird. "(7)
Die Forstmeister und ihr Personal setzten als fachmännische Berater die Gedanken und Wünsche des Grafen in die Praxis um.
Im Park standen etwa 50 Holzarten. Neben verschiedenen heimischen Laubholzarten, wie Stieleichen (Quercus robur) und verschiedene Rotbuchenarten (Fagus silvatica), befanden sich auch Gingko biloba, Beereneibe (Taxus baccata), Hemlocktanne (Tsuga canadensis), Magnolie (Magnolia baccata), Zirbelkiefer (Pinus cembra) Rhododendron (Alpenrose sowie Azalee) und viele andere Bäume und Sträucher im Park. Der etwa 123 ha große Park ging fließend in einen Landschaftspark und dann zur offenen Landschaft über.
Oberförster Karl Gebbers entdeckte seine Freude an der Landschaftsgestaltung und vor allem an der Baumschularbeit. Laut vorliegendem Vertrag von 1888 pachtete er von Gräfin Elisabeth von Fürstenstein die Baumschule am Bahnhof Wiesenburg. Er kündigte vermutlich dem Grafen sein Arbeitsverhältnis und legte den Grundstein für die "Baumschule Gebbers". Das Forshaus kaufte er vermutlich dem Grafen ab. Es wurde der Stammsitz der Familie Gebbers am Bahnhof Wiesenburg.
Inzwischen hatte die Schwester des Grafen Curt F. E. von Watzdorff, Elisabeth Luise Charlotte, 1862 den Grafen Carl Adolf von Fürstenstein auf Ullersdorf O/L, einen wesentlich älteren Mann, geheiratet. Aus dieser Ehe gingen die Kinder Viktoria 1862, Curt Friedrich Wilhelm 1867 und Curt Alexander 1869 hervor. Alle Kinder wurden in Ullersdorf O/L geboren. 1881 ist Curt F. E. von Watzdorff verstorben und damit die gesamte Linie von Watzdorff. Erbe von Wiesenburg wurde der Neffe, Curt Alexander von Fürstenstein, jüngster Sohn der Schwester des Verstorbenen. Gräfin Elisabeth übernahm die Vermögensverwaltung in Wiesenburg. Der ältere Sohn Friedrich W.C. von Fürstenstein erbte Gut Ullersdorf in der Oberlausitz.
Die Familie von Fürstenstein, Besitzer des Gutes Ullersdorf, Kreis Rothenburg O/L und ihr Wildhüter Johann Gottfried Emil Kruhl
Zum Gutsbezirk Ullersdorf gehörten größere Waldflächen in den Königshainer Bergen. Hier unterhielt Graf Friedrich W. C. von Fürstenstein (Sohn von Gräfin Elisabeth) am Ende des 19. Jahrhunderts ein Rotwildgatter. Der Pachtschenkwirt Gottfried Kruhl, mein Urgroßvater mütterlicherseits, aus Ullersdorf (geb.24. 7.1836) war nebenbei als Wildhüter bei dem Grafen beschäftigt. Er war ein rechtschaffener Mann, welcher bereits in den Kriegen 1864/66 und 1870/71 gedient hatte und seine Familie durchbringen musste. Seine Ehefrau Anna Mathilde Kruhl geborene Meister, war 1888 im Alter von 52 Jahren an Lungenleiden und Wassersucht verstorben. Der Witwer versorgte seine sechs Kinder, drei Söhne und drei Töchter, elf Jahre allein. Die Kinder des Wildhüters waren Spielgefährten der Kinder der gräflichen Familie.
Am Mittwoch, den 1. November 1899, trat ein fürchterliches Ereignis ein. Der Wildhüter Gottfried Kruhl erlitt bei der Wildfütterung einen tragischen Unfall. Ein Rothirsch forkelte ihn tödlich. Die Görlitzer Nachrichten vom 5. November 1899 schrieben darüber:
"Ullersdorf bei Jänkendorf O L. 3. November Ein beklagenswerter Unglücksfall, der den Tod eines braven Mannes zur Folge hatte, hat sich vorgestern hier ereignet. Der Häusler Kruhl ging am Mittwoch Vormittag in den Wildpark, um die Hirsche zu füttern. Als er sich wieder entfernen wollte, wurde er von einem starken Hirsch verfolgt und bald schrecklich zugerichtet. Nicht nur das Gesicht wurde zerfleischt, sondern auch die Kleider wurden zerrissen und die ganze rechte Seite des Körpers so verletzt, dass er schwer verwundet liegen blieb und nur mit äußerster Anstrengung und in der Todesangst sich auf Händen und Füßen kriechend bis zu einem Fußsteige zu schleppen vermochte. Dort lag er ohne Hilfe 3 Stunden lang bis 1 Uhr Mittags. Da fand ihn eine Frau aus Thiemendorf. Sie erstattete alsbald in Ullersdorf Anzeige, und nun erst konnte der Unglückliche mittels Wagen heimgeholt werden. Der schnell herbeigerufene Arzt, Dr. med. Glitsch aus Niesky stellte zahlreiche Rippenbrüche und schwere innere Verletzungen und Verblutungen fest. Leider ist bereits gestern Abend der Tod eingetreten."
Graf Friedrich W. C. von Fürstenstein, der älteste Sohn von Elisabeth geborene von Watzdorff, besuchte noch am gleichen Nachmittag seinen Wildhüter am Krankenbett. Infolge der schweren Verwundungen war ein Gespräch nicht mehr möglich. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und der Fürstenfamilie fand am Sonntag, dem 5. November 1899, die Beisetzung neben seiner Frau statt. An der Stelle, wo der tragische Unfall am Wildgatter geschah, ließ der Graf einen Gedenkstein mit Inschrift errichten. Die gräfliche Familie sorgte sich um die Hinterbliebenen.
Ich, der Urenkel von Gottfried Kruhl, befasse mich als Rentner unter anderem mit Ahnenforschung. Anlässlich des 100. Todestages meines Urgroßvaters ließ ich durch einen guten Freund, Superintendent i.R. Herrn Hans Wolfgang Hennig aus Niesky, prüfen, ob dieser Gedenkstein noch vorhanden ist. Mit Hilfe der örtlichen Heimatfreunde wurde der Gedenkstein tatsächlich gefunden. Die eingravierte Inschrift ist nicht mehr lesbar. Es folgte ein Besuch aller Beteiligten vor Ort, verbunden mit einem stillen Gedenken und der Erkenntnis: Wenn auch verwittert der Gedenkstein, die Erinnerung soll ewig sein!
D
ie Familie von Fürstenstein sowie ihr Leibjäger und Förster Adolf Gustav Kruhl
Mein Großvater, Leibjäger und Förster Adolf Gustav Kruhl, wurde am 11. Februar 1868 als Sohn des Wildhüters Gottfried Kruhl zu Ullersdorf, Parochie Jänkendorf geboren. Der Passion seines Vaters folgend erlernte er den Jägerberuf von 1882 bis 1887. Danach diente er bis 1891 im Pommerschen Jägerbataillon No 2.
Auf Grund des Bekanntheitsgrades zwischen den Familien von Fürstenstein und Kruhl wurde Adolf Kruhl ab 1. Oktober 1891 von Elisabeth, Gräfin Fürstenstein geborene von Watzdorff, als Leibjäger in Wiesenburg eingestellt. Als solcher hatte er den Grafen bei der Jagd zu begleiten und ihm als Büchsenspanner zu dienen. Außerdem war er für die Pflege der Sammlung alter Feuerwaffen und der Jagdtrophäen im unteren Flur des Südflügels von Schloss Wiesenburg verantwortlich. Gräfin Elisabeth gab gern tagelange Jagdgesellschaften. Adolf Kruhl hatte in voller Leibjägeruniform bei der Tafel Dienste zu leisten. Letztere Gelegenheit nutzte er weidmännisch und pirschte sich zweckmäßigerweise an die Köchin des Schlosses heran.
Am 9. Oktober 1894 heiratete mein Großvater Adolf Kruhl Auguste Elise König, die Schlossköchin von Schloss Wiesenburg. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor, unter ihnen Elisabeth, meine Mutter. Unmittelbar nach der Eheschließung wurde Adolf Kruhl in das Revier Setzsteig als Förster versetzt. Schon ein Jahr später wurde er in das Revier Hagelberg bei Belzig umgesetzt.
In diesem Revier war bereits ein Förster von Wilddieben erschossenen worden. Der ermordete Förster wurde nach langer Suche in einem Brunnen an der Straße von Schmerwitz nach Lübnitz gefunden. Der von Quellwasser des Fläming gespeiste Brunnen wurde später verfüllt.
Auch Förster Adolf Kruhl wurde von einem Wilddieb angegriffen. Es war die Zeit herangereift, wo sich Adolf Kruhl forstlich qualifizieren musste. So legte er von Oktober 1897 bis Juni 1898 die Försterprüfung in der Gräflich Fürstensteinschen Forstverwaltung Wiesenburg erfolgreich ab. Nachdem im Forsthaus Glashütte bereits die Förster und späteren Oberförster/Forstmeister Müller und Gebbers residierten, erfolgte laut vorliegendem Dienstvertrag vom 7. Oktober 1915 die letzte Umsetzung des Försters Adolf Kruhl in das Revier Glashütte bei Wiesenburg/Mark.
Dienstvertrag
zwischen Ihrer Exzellenz Frau Gräfin von Fürstenstein geborene von Watzdorff auf Wiesenburg als Dienstherrin einerseits und dem Förster Adolf Kruhl zu Glashütte andererseits
§ 1 Ihre Exzellenz Frau Gräfin von Fürstenstein auf Wiesenburg stellt den bereits seit 1. Oktober 1891 in ihren Diensten stehenden Förster Kruhl jetzt in Glashütte wohnend hierdurch für ihr herrschaftlich Wiesenburger Forstrevier auf Lebenszeit mit Pensionsberechtigung nach den bestehenden Bestimmungen über die Pensionierung der Beamten der Herrschaft Wiesenburg an.
§ 2 Ihre Exzellenz Frau Gräfin von Fürstenstein verbleibt das Recht, das Dienstverhältnis in allen denjenigen Fällen aufzulösen, wo die Entlassung eines Königlichen Forstbeamten seitens der Königlichen Regierung ebenfalls verfügt werden würde.
§ 3 Einer Versetzung innerhalb des Wiesenburger Forstreviers hat sich der Förster Kruhl jederzeit zu fügen. Geschieht die Versetzung auf Wunsch der Dienstherrschaft, so werden auch von dieser die Umzugskosten getragen. Es erfolgt die Versetzung auf Antrag des g. Kruhl, so trägt er die Umzugskosten.
§ 4 Der Förster Kruhl verpflichtet sich, alle ihm zufallenden oder sonstwie zugewiesenen Dienstobliegenheiten pünktlich und gewissenhaft zu erfüllen und nach bestem Können zu erledigen, wie überhaupt unter allen Umständen die Interessen seiner Dienstherrschaft nach Möglichkeit zu wahren und zu fördern.
Im Speziellen ist er gehalten, allen Anordnungen der Dienstherrschaft oder des verwaltenden Beamten derselben pünktlich nachzukommen und auch etwaige ihm zu übertragende Nebenämter, soweit sich solche mit seinem sonstigen dienstlichen Obliegenheiten vwereinigen lassen, zu übernehmen.
§ 5 An Gehalt bzw. Einkommen wird dem Förster Kruhl gewährt:
a) bar, gleich den Königlichen Förstern und soll das Gehalt gleich mit diesen fallen und steigen, also vom 1. Oktober ab 2200,00 M (jährlich)
b) freie Wohnung oder eine bare Entschädigung von 300,00 M
c) freies Brennholz incl. freie Anfuhr und Zerkleinerung.
d) Die freie Nutzung von
2 Morgen Gartenland
20 Morgen Acker
4 Morgen Wiese
35 Zentner gutes Wiesenheu incl. freie Anfuhr oder für das Heu eine jährliche Entschädigung von 122,50 Mark.
Die Bestellung des Dienstlandes geschieht frei, es wird eine Vergütung pro Morgen und Jahr von 10,00 M gewährt.
e) Schieß- und Fanggeld nach den für die Herrschaft Wiesenburg bestehenden Bestimmungen.
f) In Ermangelung der Benutzung eines Forstgespannes eine jährliche Entschädigung von 100,00 Mark,
g) Die herrschaftliche Forstuniform oder bei Wegfall derselben eine jährliche Dienstaufwandsentschädigung von 100,00 Mark.
h) freie ärztliche Behandlung und freie Arznei für die Familie.
i) Tagegelder und Reisegelder nach den jeweiligen bestehenden Bestimmungen für die Königlichen Förster.
§ 6 Die eventuelle Pensionierung erfolgt, wie bereits im § 1 dieses Vertrages ausgedrückt, nach den bestehenden "Bestimmungen über die Pensionierung der Beamten der Herrschaft Wiesenburg", jedoch mit der Maßgabe, dass dem Förster Kruhl, neben der der Herrschaft Wiesenburg geleisteten Dienstzeit, auch seine Militärzeit in Anrechnung gebracht wird.
§ 7 Der vorstehende Dienstvertrag soll im Falle eines Besitzwechsels auch für den Besitznachfolger der Herrschaft Wiesenburg bindend sein.
§ 8 Die Bestimmungen über die Pensionierung der Beamten der Herrschaft Wiesenburg sind diesem Dienstvertrage als Anlage anzuheften.
Wiesenburg, den 1. Oktober 1915
Die Kontrahenten
Elisabeth Gräfin Fürstenstein     Adolf Kruhl Geb. … v. Watzdorff
Im Auftrage der Gräfin baute mein Großvater Förster Adolf Kruhl das Dienstgehöft zu einem Wirtschaftshof mit Scheune und Stallungen aus. Das war für die Wildbewirtschaftung, die Versorgung des Schlosses und des Forsthofes notwendig. Er hat auch den großen Garten am Forsthaus und die Ortsverbindungswege mit Obstbäumen bepflanzen lassen. Ebenso gehörten Spargelbeete und ein Rhabarbergarten zum Grundstück. Meine Mutter, Elisabeth Mommert geb Kruhl, erblickte am 24. 1. 1902 in Hagelberg das Licht der Welt. Sie schrieb 1978 ihre Lebenserinnerungen auf und benutzte die persönliche Form, welche in diesem Aufsatz belassen wurde. Wenn sie von Vati spricht, handelt es sich um den Revierforster Wilhelm Mommert, meinen Vater.
Aus den Erinnerungen meiner Mutter Elisabeth Mommert
"Meine Eltern waren gegenüber uns Kindern streng. Vater Adolf Kruhl war aber gegenüber Anderen sehr gutmütig. Vielen Menschen hat er aus der Not geholfen. Nicht nur Anweisungen wurden erteilt, sondern er fasste auch selbst zu. Russische Kriegsgefangene des 1. Weltkrieges, welche im Wald arbeiteten, wurden gut versorgt. Weihnachten erhielten die Gefangenen von der Gräfin Elisabeth von Fürstenstein Geschenke. Dann hatte mein Vater die Ehre auf Wunsch der Gräfin, ihren Sohn Alexander in Frankreich auf dem Kriegsfeld zu besuchen.
An meine Kindheitstage in Glashütte erinnere ich mich besonders gern. Das Forsthaus hatte 8 Zimmer, Speisekammer und zwei Flure sowie 17 Fenster. Es gab kein elektrisches Licht. Als Lichtquelle besaßen wir nur Petroleumlampen, Kerzen und Taschenlampen. Wasser wurde mittels Benzinpumpe auf dem Forstgehöft für das ganze Dorf bereitgestellt. Es gab weder Radio geschweige denn Fernsehen. Wir lebten in, mit und von der Natur. Der Schulweg von Glashütte nach Jeserig war weit. Bei jedem Wetter mussten wir 30 Minuten über freies Feld (die "Knettchen") zum Unterricht laufen. Der alte Lehrer Jädtke war mit der Gräfin Elisabeth und meinen Eltern gut bekannt. Uns Kindern war er ein guter Freund und Lehrer. Konfirmationsunterricht erhielten wir in Wiesenburg. Mein Großvater mütterlicherseits war Stellmacher. Er baute und schenkte uns einen wunderschönen, grünen Jagdwagen. Wir hatten außerdem in der Remise der Försterei einen Korbwagen mit Plane und eine Glaskutsche. Pferde gehörten zur Försterei. Sie wurden von einem gräflichen Kutscher betreut Viele Fohlen wurden auf der Koppel großgezogen und später für land- und forstwirtschaftliche Arbeiten angelernt. Mit der sogenannten Glaskutsche holten wir u.a. unsere Besucher vom Bahnhof Wiesenburg ab. Auch wurde diese Kutsche für Fahrten zu Trauungen benutzt. Meine Hochzeitsfahrt 1926 nach Jeserig bei Wiesenburg war wohl die letzte Fahrt mit dieser Kutsche. Für uns Kinder waren Kutschfahrten zu einer Zeit, wo es in Glashütte noch kein Auto gab, eine besondere Freude. Waldfahrten waren immer schön, im Sommer wie im Winter. Bei guter Schneelage, welche wir zu jener Zeit des öfteren hatten, gab es herrliche Schlittenpartien. Oft konnten wir Wild beobachten und es selber füttern. Das Wild lief zutraulich hinter Wagen oder Schlitten her.
Voraussetzung für die Zutraulichkeit des Wildes war die Wildhege der Frau Gräfin Elisabeth von Fürstenstein. Sie fuhr jeden Abend gegen 18 Uhr mit zwei Schimmeln in den Wald, um das Wild zu füttern. Während des 1. Weltkrieges waren zwei Ponys vom Schloss in unserer Försterei eingestallt. Mit diesem Gespann durfte ich ab 14 Jahre die Milchkannen zur Molkerei Welsickendorf fahren. Auch zum Bahnhof Wiesenburg durfte ich kutschieren, um große Körbe mit Obst und Gemüse nach Berlin zu verfrachten. Auf einem Wagen sitzen mit Esel, Pony oder Pferd davor, dass war für mich einmalig schön. In Wiesenburg lernte ich Weißnähen und wohnte zu dieser Zeit im Schloss. Zur gleichen Zeit lernte meine Freundin, eine Försterstochter, auf dem Schloss kochen. Sie hatte ihr Zimmer bei mir nebenan. Wir waren immer unterrichtet, was im Schloss vorging und haben uns manchen Spaß ausgedacht Die Jungfer der Gräfin war eine Bekannte von meinem Vater. Sie stammte auch aus Ullersdorf und war im gleichen Alter wie die Frau Gräfin. Sie ließ uns in viele Zimmer schauen. So kamen wir u.a. in einen Raum, wo der Fundus für Theaterspiele lag. Schnell waren wir dabei und suchten uns Kleider aus. Ich verkleidete mich als Zigeunerin. So schön verkleidet erlaubte ich mir bei der Herrschaft anzuklopfen. Die Anwesenden saßen im Halbkreis vor dem Kamin. Ich knixte, ging von Einem zum Anderen und weissagte jedem etwas Gutes. In Gnaden wurde ich entlassen. Anschließend erkundigte sich der Graf, wer denn die Zigeunerin gewesen sei. Dann schickte er mir sofort mit dem Diener eine gute Flasche Wein auf mein Zimmer. Mit meiner o. g. Freundin machten wir uns anschließend eine gemütliche Stunde. Gräfin Elisabeth war zu meiner Zeit noch die Vermögensverwalterin der Herrschaft Wiesenburg. Ihr Bruder, der ehelose Graf Curt Friedrich Ernst von Watzdorff, hatte am 1. Januar 1881 in Bad Blankenburg seinem Leben selbst ein Ende bereitet. Mit dem Bau des Kirchturms von Wiesenburg setzte er sich ein Denkmal. Solange die Gräfin Elisabeth lebte, hat sie jeweils am Geburtstag ihres Bruders eine Andacht gehalten. Die Beamten konnten auf eigenen Wunsch teilnehmen. Der Kirchenchor sang und ein Pfarrer sprach dem Toten zum Gedenken. Auch ich war einige Male dabei.
Der älteste Sohn von Gräfin Elisabeth, Graf Friedrich Wilhelm Curt von Fürstenstein, genannt Fritz, erbte, wie bereits oben gesagt, Schloss Ullersdorf.
Die Gräfin Elisabeth von Fürstenstein in den Erinnerungen meiner Mutter war sehr beliebt. Sie wurde hoch verehrt, so auch von meinem Vater. Die Gräfin war Patronatsherrin von Kirchen und Schulen. Keinem Tier durfte etwas zuleide getan werden. Der Geburtstag der Frau Gräfin wurde immer großartig gefeiert Zu den Gästen gehörten alle Beamten mit Ehefrauen. Auch ich war zweimal dabei. Die Gräfin ging wie immer weiß angezogen. Zu ihrer Kleidung gehörte stets ein Hermelinpelz. Damen, welche sie besuchten, mussten auch in Weiß erscheinen.
Am Geburtstag saß die Gräfin an der Tür zum roten Salon des Schlosses Wiesenburg. Jeder ankommende Gast konnte sofort mit Handkuss gratulieren. Meist war die Gratulationscour gegen 20 Uhr. Nachdem alle geladenen Gäste anwesend waren, ging es geschlossen über den mit Fackeln erleuchteten Schlosshof in den Rittersaal. Hier standen ein kaltes Buffett und viele kleine Tische. Jede Dame hatte einen Tischherrn. Da ging es lustig zu. Man hat nach Belieben gegessen und getrunken. Die Diener gossen Wein oder Bowle ein. Hin und wieder wurde ein Toast auf das Geburtstagskinä ausgesprochen, auch kleine Reden wurden gehalten. Jeder konnte mit Frau Gräfin anstoßen, in vorgerückter Stunde ging es fröhlich zu. Danach ging die Geburtstagsgesellschaft wieder geschlossen über den hell erleuchteten Hof in den roten Salon. In der Mitte stand ein großer Flügel und eine mit Grünpflanzen umstandene weiße Marmorfigur, welche eine Nymphe und einen Knaben auf dem Delphin darstellte. Rings um diese Gruppe wurde getanzt. Nebenan im blauen Salon saßen die Herren. Sie tranken Wein und Bowle, rauchten dicke Zigarren und kamen ganz nach Belieben zum Tanz in den roten Salon. Im gelben Salon gab es viele schöne Geschenke zu sehen. Unter anderem gab es große Körbe mit Kastanien für die Wildfütterung. Um 24 Uhr war die Feier stets zu Ende.
Nun hatte mein Lehrer Jädtke aus Jeserig Geburtstag. Jetzt wurde ihm gratuliert und dann ging es nach Hause. Zufrieden und gut gelaunt saßen wir in unserer Kutsche. In Jeserig wurde bei Lehrer Jädtke angehalten und noch einmal auf seinen Geburtstag angestoßen. Bei Mondschein ging es durch Wald und Flur nach Glashütte zurück. Verstorben ist Elisabeth von Fürstenstein 1921. Nach dem Einschlafen haben die Familienangehörigen ihr zu Ehren am Totenbett eine Zeitlang gekniet. Wenige Stunden danach habe ich sie schon aufgebahrt gesehen; wie immer ganz in Weiß. Der Sohn, Graf Alexander, wollte seine Mutter am Beerdigungstag noch küssen. Mein Vater, der auch Ehrenwache hielt, hat es verhindert, um den Herrn Grafen vor Leichengift zu bewahren. Da die Gräfin Patronatsherrin der evangelischen und der katholischen Kirche von Wiesenburg war, wurde die Grabrede auf dem Schloss vom katholischen Pfarrer gehalten und an der Grabstelle vom evangelischen Pfarrer. Vom Schloss bis zur Familiengruft im Park in der Nähe der Oberförsterei waren Fackeln gestellt. Es war in der Abendstunde gegen 18 Uhr, die Zeit der Wildfütterung, als der Leichenwagen mit vier schwarz behangenen Schimmeln bespannt zur Gruft fuhr .Der Sarg war mit einer dunkelroten Samtdecke mit Quasten bedeckt. An jeder Quaste hat ein Graf angefasst. Vor dem Sarg ging der Herr Rendant mit dem Ordenskissen. Die Beisetzung erfolgte in einer Gruft, neben ihrem Bruder, am so genannten Stern im Wiesenburger Park. Die Gruft wurde mit dicken Eichenbohlen abgedeckt"{6)
Graf Curt Alexander von Fürstenstein trat jetzt erst seine Erbschaft in Wiesenburg an. Er war der zweite Sohn der Gräfin Elisabeth und Erbe von Wiesenburg .Oft und gern ging er auf Reisen. Wenn er zu Hause war, verhielt er sich volkstümlich. Mit seinem Motorrad war er gern unterwegs. In der Kirche Wiesenburg spielte er die Orgel. Etwa 1929 hatte er noch das Fliegen gelernt. In jedem Jahr veranstaltete man ein Volksfest. Viele schöne Feste wurden schon immer in der Herrschaft Wiesenburg gefeiert Die Herrschaften tanzten mit allen Anwesenden, sofern sie es geschafft haben. Sogar auf Tanzkränzchen in gemütlicher Runde haben die Herrn Grafen fleißig mitgemacht. Als Graf Curt Alexander von Fürstenstein, 1930 unverheiratet verstarb, gab es auch eine große Beerdigung. Er wurde in Husarenuniform aufgebahrt Der Schlosshof war voller Menschen. Ein Flieger, Ernst Udet, erwies ihm die letzte Ehre. Er kreiste und warf Blumen ab. Auch in diesem Fall wurde der Leichenwagen von 4 schwarzbehangenen Pferden gezogen. Acht Pfarrer sollten in ihren schwarzen Talaren vor dem Leichenwagen schreiten. Als der Husarenmarsch gespielt wurde, gingen die Pferde durch. Der Sarg wäre vom Wagen gerutscht, wenn die Förster nicht zugefasst hätten. Die Pfarrer flüchteten. Nun mussten die Förster den Wagen den weiten Weg bis zur Gruft ziehen und das letzte Halali blasen. Fichtengrün wurde als letzter Gruß entboten. Ich war selbst dabei." (6)
Graf Friedrich Wilhelm Curt von Fürstenstein verspielte sein Vermögen irr Zoppot oder Monte Carlo (da sind sich die Chronisten uneinig). Die Wiesenburger Herrschaft hatte für 1/2 Million Mark der Schulden gutgesagt und damit viel Geld verloren. Ein großer Kahlschlag eines Kieferaaltholzes in den Königshainer Bergen (wo der Wildhüter G.Kruhl zu Tode kam) vermochte die Schulden nicht zu decken. Noch heute nennen die Alten den Forstort "Monte-Carlo-Schlag". Fritz musste sein Lebensende in Wiesenburg verbringen.
Auch seine Schwester Viktoria, verwitwete Fürstin von Reuß aus Jänkendorf bei Ullersdorf O/L verbrachte ihr Lebensende mehr oder weniger in Wiesenburg.
Die Grafen von Wiesenburg und der Revierförster Wilhelm Mommert Revierförster Wilhelm Mommert, mein Vater, wurde am 27. 7. 1896 als Sohn des Revierförsters Johann Julius Mommert und seiner Ehefrau Pauline geborene Czyrwitzki in Brustave, Kreis Militsch/Schlesien, geboren. Seine Jugendzeit verlebte er mit 10 Geschwistern in einem einsamen Forsthaus im Hultschiner Ländchen/Schlesien. Zeitig lernte er Auseinandersetzungen mit Wilddieben und Paschern kennen. Sein Bruder, Revierförster Karl Mommert, wurde 1918 von Wilddieben erschossen. Von 1913-1915 absolvierte Wilhelm Mommert im Stadtforst Ratibor seine Forstlehre. Nach 3-jähriger französischer Kriegsgefangenschaft und 3-jähriger Hilfsförstertätigkeit legte er im August 1922 in Alte Hölle bei Wiesenburg/Mark die Försterprüfung ab. Auf dem anschließenden Försterball tanzte er zum ersten Mal mit Elisabeth Kruhl. Als er 1924 in der Försterzeitung die Ausschreibung der Försterstelle Glashütte in der Grafschaft Wiesenburg las, hat er sich um diese mit Erfolg beworben. Am 1. Juni 1924 schloss er daraufhin mit der Forstverwaltung des Herrn Grafen Alexander von Fürstenstein, vertreten durch Oberförster Maximilian Busch, zunächst einen Vertrag auf Probezeit ab. Zu dieser Zeit war das Forsthaus Glashütte noch von den Hinterbliebenen meines Großvaters, des Försters Adolf Kruhl, bewohnt. Mein Vater, Wilhelm Mommert, bezog hier erst einmal ein möbliertes Zimmer.
Aus den Lebenserinnerungen meiner Mutter, Elisabeth Mommert "Nach dem Tode meines Vaters Adolf Kruhl kam ein Junger, unverheirateter Förster in unser Forsthaus Glashütte. Er war mir nicht fremd, da ich ihn zwei Jahre zuvor schon auf einem Försterball in Wiesenburg kennen gelernt hatte. Ich war flink und habe ihn gut versorgt. Willi, wie ich ihn nannte, hat mich lieb gewonnen. Nachdem er mich seinen Eltern vorgestellt hatte, haben wir uns 1925 verlobt und 1926 wurde geheiratet. Da Vati von katholischer und ich von evangelischer Konfession war, mussten wir zuvor vom Patronsherren, d. h. dem Grafen Alexander, die Erlaubnis einholen und die Schwierigkeiten, welche Forstmeister Busch bereitete, meistern.
Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor (Erika 1927, Hubertus 1931 und Gerhard 1942). Der Dienstvertrag unseres Vatis war ähnlich dem meines Vaters Adolf Kruhl. Es standen uns 140 Mark Bargeld je Monat zur Verfügung. Weiterhin mietfreie Wohnung, kostenlos ofenfertiges Brennholz, pachtfreies Land, zwei Ferkel sowie Fang- und Schussgeld für erlegtes Wild. Raubwild konnte zu eigenen Gunsten verkauft werde. Nach Abzug aller fixen Kosten bekam ich 50 Mark Wirtschaftsgeld je Monat. Vati verblieben 5 Mark je Monat.
Vati hatte es mit seinem Vorgesetzten, dem Oberförster M. Busch, schlecht getroffen. Auch M. Busch trat 1924 seinen Dienst bei Graf Curt Alexander von Fürstenstein an. Er wollte sich zum Nachteil der Revierförster bei seinem Arbeitgeber einschmeicheln. Seine Untertanen sollten ihm absolut hörig sein. Persönliche Gespräche mit dem Grafen wurden verboten. Widerspruch wurde nicht geduldet Ohne seine Erlaubnis ging nichts. Zur Durchsetzung dieser Maxime bediente er sich unter anderem unlauterer Mittel. Informationen über seine Förster holte er sich nicht nur über Waldarbeiter ein. Er versuchte auch, die Förster untereinander zu Beobachtungen einzusetzen. Höhepunkt dieser "Agententätigkeit" war der Einsatz von Detektiven. Vati, welcher schon eine harte Schule des Lebens hinter sich hatte, durchschaute schnell diese Vorgehensweise seines Chefs. Er stellte im Wald einen Detektiv und andere Spitzel. Mit vorgehaltener Waffe und Hände hoch lieferte er einen Detektiv beim Oberförster Busch persönlich ab. Ein anderes Beispiel: Vati hatte zufällig von weitem gesehen, dass sein Chef einen Stapel Holz eingerissen hatte. Mit seinem Fahrrad war er schnell, auf dem kürzesten Weg, nach Hause gefahren. Als Oberförster M. Busch im strömenden Regen mit der Kutsche am Forsthaus Glashütte vorgefahren kam und den Förster raustreten ließ, um ihn wegen der Unordnung im Walde zur Rechenschaft zu ziehen, antwortete Vati: "Wenn ich den Lumpen erwische, der die Klafter eingerissen hat, den prügele ich windelweich!" (6) Zum Forstberuf gehörte in jedem Falle die Jagdausübung. Das Revier Glashütte teilte sich in die Forstorte Rahneberge und Kalotsche. Wild, insbesondere Dam-, Schwarz- und Rehwild u. a., gab es hier reichlich. Die Förster waren dafür verantwortlich, dass immer ein großer, gesunder Wildbestand vorhanden war.
Aus den Lebenserinnerungen meiner Mutter, Elisabeth Mommert "Wenn der Jagdherr, der Graf oder seine Gäste einen Trophäenträger erlegen wollten, musste der Förster führen (oder wie man gehässig sagt, das Stück anbinden). Es war auf jeden Fall zu sichern, dass der Jagdgast Weidmannsheil (Erfolg) hatte. Treibjagden waren vorzubereiten, Jagen wurden eingelappt (d. h. ein Treiben bis auf die Schussschneisen mit bunten Lappen umgeben), Gatter wurden gebaut und das Wild angefuttert. Die Leitung der Jagd oblag dem Oberförster. In diesem Fall war der Oberförster jagd- bzw. schussneidisch. Er gönnte weder den Jagdgästen noch dem Jagdherren den jagdlichen Erfolg. Er teilte vor der Jagd wenig Wildfutter zu. Wenn er während der Jagd hinter dem Grafen stand, winkte er mit einem weißen Taschentuch, um zum Beispiel den Hirsch zu vergrämen (verscheuchen) u.a.m. Die Förster durften nur weibliches und krankes Wil, sowie Niederwild (Hasen, Karnickel, Füchse, Marder usw.) erlegen. Außerdem mussten sie nach Treibjagden erforderlichenfalls Nachsuchen durchführen und das erlegte Wild versorgen."
"Das erlegte Wild kam auf einen mit Tannengrün ausgeschmückten Wildwagen und wurde nach der Jagd zur Försterei Glashütte gebracht. Auf dem Forsthof und in der Waschküche wurde das Wild vom Förster und bei großer Strecke mit Hilfe der Waldarbeiter aufgebrochen (ausgeweidet). Der Aufbruch (Lunge, Leber, Herz und Nieren sowie die Fettliesen) gehörten dem Förster, in dessen Revier die Jagd stattfand, in diesem Falle also uns. Je nach Größe der Strecke haben auch die Treiber etwas abbekommen. Leberwurst habe ich selbst hergestellt und natürlich tüchtig eingeweckt. Nachdem das Wild versorgt war, wurde es sofort auf einen Wildwagen (mit Fichtengrün geschmückten Ackerwagen) zum Schloss Wiesenburg gefahren. Auf dem Schlosshof unter den alten Kastanien wurde auf grünen Zweigen die Strecke gelegt und je nach Wildart totverblasen. Zum Schluss erklangen die Jagdsignale: "Jagd vorbei" und "Schüsseltreiben". Im Schloss wurde anschließend von der Jagdgesellschaft noch tüchtig gefeiert. Es gab Wildbraten und reichlich zu trinken u.a. Bier von der Schlossbrauerei Wiesenburg. Jagdgericht und Jägerlatein trugen zur Unterhaltung bei. Dass einmal die Jagdbeute gestohlen wurde, ist aber kein Jägerlatein! "(6)
Meine Großväter waren auch noch für Waffen und Munition des Jagdherren verantwortlich. Zu den Treibjagden wurden immer Nachbarn, gute Freunde und andere erlesene Jagdgäste eingeladen. Einmal waren auch der Reichsführer Heinrich Himmler und ein Kampfflieger des 1. Weltkrieges, Ernst Udet, vom Grafen zur Jagd in die Rahneberge eingeladen. Das Treiben lief gut. Man hörte die Treiber rufen: "Schweine nach vorn!" und schon krachte ein Schuss. Ernst Udet, welcher der Nachbarschütze vom Förster W. Mommert war, hatte einen alten, schweren Keiler angebleit (angeschossen). Das Stuck klagte im Schuss. Der Förster W. Mommert sah, wie der kranke Keiler den Schützen Udet annahm. Udet rannte um sein Leben, um eine dicke Kiefer herum und der kranke Keiler schnaufend hinterher. Förster Wilhelm Mommert eilte Udet sofort zur Hilfe und gab dem rasenden Keiler einen gekonnten Fangschuss. Udet bedankte sich und sagte: "Herr Mommert, ich habe viele Luftkämpfe im Krieg erlebt. Solche Angst wie jetzt hatte ich noch nie in meinem Leben. Sie sind ein Kunstschütze!! Vielen Dank für meine Lebensrettung".
Außer den oben genannten Jagdgästen im Revier Glashütte waren in Spring folgende Gäste zur Jagd: Die Generäle Dittmar und Schörner, der Staatssekretär P. Körner und Graf Lehndorf aus Steindort/Ostpreußen. Diese Jagdgäste nahmen bei Bedarf im Forsthaus Spring bei der Familie des Revierförsters Erich Bärmann Quartier.
Revierförster Mommert bildete auch Jagdhunde für den Jagdherrn und seine Gäste aus. Einmal gab Krupp von Bohlen und Halbach einen Deutsch Kurzhaar mit Namen Unkas zur Dressur nach Glashütte. Es war sehr schwer, dem verzogenen Hund jagdlichen Appell beizubringen. Zum Beispiel sollte Unkas das Apportieren lernen. Als sein Herrchen glaubte, dass er es schon einigermaßen kann, versteckte er sein Portemonnaie und gab das Kommando: "Unkas such verloren!" Unkas drehte zwei, drei Runden, fand das Portemonnaie, hockte sich hin und setzte einen Haufen drauf. Er kam zurück und tat so, als ob nichts geschehen sei und forderte sein Lob ein. Für die Dressur von Jagdhunden gab es Geld, und das hatten die Eltern bitter nötig. Ein zusätzliches Taschengeld konnte man auch bei den angrenzenden Jagdpächtern für erfolgreiches Nachsuchen erhalten. Mein Vater, Wilhelm Mommert, welchem 1939 vom preußischen Landesforstamt Potsdam der Titel Revierförster verliehen wurde, musste in den Polenfeldzug ziehen. Nach seiner Entlassung vom Heer kündigte er auf Grund der laufenden Differenzen mit seinem Vorgesetzten seine Dienststelle Glashütte in der Forstverwaltung Wiesenburg. Von 1942 bis 1945 war er Revierförster bei der Luftwaffe in Gomo und Udetreld. Die Familie lebte in der Zwischenzeit in Reetzerhütten.