Borkheide

Manfred Günther: Die Geschichte der Gemeinde Borkheide,

1. Teil,1997
Die Jahre 1900 - 1945
Wir danken Manfred Günther
Manfred Günter wurde am 17. April 1926 in Wiesenburg geboren. Sein Vater wurde 1929 als Dienststellenleiter zum Bahnhof Bork (jetzt Borkheide) versetzt. Hier besuchte er die einklassige Volksschule und danach das "Althoff"-Realgymnasium in Babelsberg. Nach dem Kriege versuchte er sich in mehreren Berufen, bis er sich zur Datenverarbeitung entschloss. Diese Tätigkeit wurde sein Hobby, und er blieb bis zur Rente 1991 dem Beruf treu.
An- und Abfahrzeiten zu seinem Betrieb von täglich zweieinhalb Stunden konnten ihn nicht bewegen, Borkheide zu verlassen. Er bezeichnet sich selbst als "Freilandaufzucht" und könne in keiner Großstadt leben.
Da sind dann aber noch seine Interessen für alles das, was sich in seinem Ort entwickelt hatte. Mit Vorträgen über Hans Grade und die Entwicklung des Flugwesens faszinierte er seine Zuhörer. 1990 erschien ein Buch mit dem Titel "Flugpionier Hans Grade. Erinnerungen von Manfred Günther". Es beginnt mit einem Zitat aus einem anderen Grade-Buch: "Hans Grades Werk für Deutschland: Das erste Motorflugzeug, der erste Motorflug, der erste Flugplatz, die erste Flugzeugfabrik, die erste Fliegerschule, die erste Luftpost, das erste Kleinauto."
Das alles belegt "Manne" Günther mit Zeitungsartikeln, mit Fotos, mit Erinnerungen. Seit Jahren kämpft er dagegen an, dass die einmaligen Leistungen Grades in Vergessenheit geraten. Wir danken ihm, dass er die Kraft gefunden hat, die Beiträge zur Borkheider Geschichte zusammenzutragen. Es sei auch allen denen gedankt, die seine Forschungen unterstützt haben. Helga Kästner und Heike Günther-Nier, 1997
Nachsatz 2004
Manfred Günther hat das Erscheinen seines Werkes noch erlebt, viele Leser waren ihm dankbar dafür. Zur Buchvorstellung im Fliegerheim Borkheide waren historisch Interessierte aus der Region gekommen. So ist wenigstens ein Teil seines umfangreichen Wissens gerettet. Seine Krankheit ließ ihm nicht Zeit dazu, auch Teil 2 zu veröffentlichen..
H. Kästner
Inhalt
Vorwort
Die Umgebung der heutigen Siedlung Borkheide
Die Entstehung des Bahnhofs Bork
Die Anfänge der Waldkolonie und der Einzug der Fliegerei in Bork
Das Leben in der Waldkolonie Bork bis 1914
Der 18. Februar 1912 ? die erste Flugpostbeförderung in Deutschland
Die Jahre bis 1918
Autoproduktion in Bork
Der nicht zu Ende gedrehte Film
Feuerwehr und Wasserwerk
".. in schlichter, der Notzeit amgepassten Weise"
Die Widerspiegelung der nationalsozialistischen Politik in Bork
Noch einmal: Filmschauplatz Borkheide
1937: Aus der Kolonie Bork wurde die Gemeinde Borkheide
Infrastruktur der Gemeinde Borkheide 1939
Borkheide im zweiten Weltkrieg
Die letzten Kriegstage
Borkheide in verschiedenen Schriften
Ein Blick zu den umliegenden Gemeinden

Aus den ersten Kapiteln

Borkheide - Gemeinde im Landkreis Potsdam-Mittelmark im Land Brandenburg
Liebe Leser,
Sie haben entschieden, sich dieses kleine Heft über die Geschichte des Ortes Borkheide zuzulegen. Borkheide, eine großräumige Waldsiedlung, etwas nördlich zwischen den Anschlussstellen Beelitz und Brück an der A 9 gelegen, ist ein noch nicht alter Ort, können doch die in der Nähe befindlichen Dörfer wie z. B. Alt?Bork,, Neuendorf und Schäpe auf eine Jahrhunderte lange Geschichte zurückblicken. Die Siedlungen Borkheide und Borkwalde entwickelten sich erst am Anfang des 20.Jahrhunderts, nichtsdestotrotz lohnt es sich, die vergangenen Jahrzehnte zu betrachten, widerspiegelt diese Zeit doch auch ein Stück deutscher Geschichte in unserem Jahrhundert. Viel Vergnügen beim Streifzug durch die Vergangenheit unseres Ortes wünscht Ihnen
Manfred Günther 1997

Die Umgebung der heutigen Siedlung Borkheide

Betrachten wir zunächst einmal die geologische Geschichte der Umgebung Borkheides. Seit den 20er Jahren lebte in Bork ein Geologe, Herr Dr. Erich Wentscher. Er hinterließ eine Arbeit über die Entstehung der Zauche. Daraus an dieser Stelle ein Auszug:
"Bork liegt mitten in der Zauche, einem runden Hochplateau wie Teltow und Barnim, das nur viel reiner und ursprünglicher erhalten ist als diese beiden. Die Zauche, die von den schmelzenden Gletschern der Eiszeit zur platten Ebene abgeschliffen wurde und ringsum an den Rändern in die saftgrünen Niederungen der Urstromtals abfällt, stellte sich als eine einzige wogende Waldmasse dar. Nur längs des Talrandes, zwischen sumpfiger Niederung und waldiger Höhe, war diese eigenartige, gegensätzliche Landschaft zur bäuerlichen Siedlung gegeignet.
Schon die slawische Zeit legte einen Kranz von alten Dörfern um das zauchische Hochplateau; Wendisch? Bork, Cammer, Golzow und viele andere stammen nach ihrer Dorfform wie nach ihrem slawischen Namen noch aus einer Epoche, bevor die christlich?deutsche und niederländische Kolonisation das Land erreichte und den Siedlungsgürtel mit neuen deutschen Dörfern wie Neuendorf, Michendorf u.v.a. verdichtete....... Einsam schlängeln sich noch heute durch den Wald die wenigen sandigen Wege, die allmählich quer durch die Zauche zur großen Kult? und Bierstätte Brandenburg oder nach Kloster Lehnin oder zu den wichtigen Lehmstätten wie Glindow, Petzow oder Rädel gebahnt wurden. Und diese verträumten, mehrspurigen Waldstraßen gefallen noch heute neben den modernern Chausseen, die wie mit einem Lineal gezogen, bequem, aber, langweilig sind.
Durch diese menschenleere Einsamkeit wurde von 1875?1879 die Berlin? Wetzlarer "Kanonenbahn" gelegt. Aus Mitteln der Französischen Kriegsentschädigung gebaut, sollte sie wesentlich nurmilitärischen Bedürfnissen dienen, aber auch das Städtchen Brückund die Kreisstadt Belzig an den Dampfverkehr des Reiches anschließen.
120 Millionen Reichsmark soll der au der Bahnstrecke gekostet haben. Aber an der Stelle des heutigen Bork sagten sich noch lange die Füchse "Gute Nacht", obwohl hier die Schnittpunkt der Wege Wendisch/ Bork?Kanin und Neuendorf?Ferch zusammenliefen, also ein kleiner Verkehrsknotenpunkt entstanden war. Doch allmählich entdeckten die Berliner die Reize und Möglichkeiten der Zauche, nicht zuletzt auch ihres damals noch reichen Wildbestandes wegen." ( aus Wentscher, Erich "Rund um den Flugplatz"; aus dem Nachlass von Otto Schätzgen) Die Entstehung des Bahnhofs Bork
Der Bau des Bahnhofs Bork
an der Berlin?Wetzlarer Eisenbahnstrecke war ursprünglich von der kaiserlichen Eisenbahndirektion nicht vorgesehen. Das Waldgebiet um das heutige Bahnhofsgelände hatten ein Herr Bönniger und ein Professor Dr. Jürgens von Bauern aus Wendisch?Bork (heute Alt? Bork) zur Jagd gepachtet. Ihnen war es bald leid, vom Bahnhof Beelitz (Heilstätten) zum Jagdgebiet zu laufen und so finanzierten sie den Bau des Bahnhofs. Eine wirtschaftliche Beteiligung lehnten die Gemeinden Schäpe und Wendisch?Bork ab. Im Jahr 1900 begann man, den Bahnhof und das dazugehörige Gebäude zu bauen; am 1. Januar 1902 fand die Einweihung des zunächst eingleisigen Bahnhofs statt. Das Bahnhofsgebäude unterscheidet sich durch die Verwendung von Schiefer angenehm von anderen in dieser Zeit entstandenen Bahnhöfen. Wenige Jahre später wurde das zweite Gleis gelegt und ein Güterbahnhof errichtet.
Der Bahnhofsbau veranlasste Frau Ilse Mitternacht, im Jahr 1900 am vorgesehenen Bahnhof eine Waldschänke zu bauen. In den ersten Jahren machten hier die Reisenden, die von Treuenbrietzen nach Lehnin oder Brandenburg wollten, mit ihren Pferdegespannen Rast. Nachdem Frau Mitternacht die Gaststätte 1908 an Herrn Vogeler verkauft hatte und wenige Jahre später die Fliegerei in Bork eingezogen war, wurde diese Rastschänke zum bekannten "Fliegerheim".
Nach mehreren Besitzerwechseln erwarb im Jahre 1921 die Familie Rüde?Mösenthin das Fliegerheim. In ihrem Besitz ist es heute noch.
D

ie Anfänge der Waldkolonie? der Einzug der Fliegerei in Bork

Im Jahr 1902 gab es am Bahnhof Bork nur fünf Gebäude, die heute noch alle erhalten sind: das Bahnhofsgebäude, das Bahnwärterhäuschen, das Schloss des Herrn Bönniger, das dazugehörige Gärtnerhäuschen (Landhaus Poppenberg) und die Waldschänke. 1906 siedelte sich der erste Berliner, der Zahnarzt Dr. Kurt Schaefer in Bork an, sein Landhaus "Else" hatte er 1903 an der heutigen Schäper Straße errichtet. Der Name Schaefer wird in der Geschichte des Ortes noch öfter erwähnt werden.
In dieser Zeit begann die Gegend um den Bahnhof Bork für Immobilienhändler interessant zu werden. Als erster kaufte der Geschäftsmann Poppenberg, ein gebürtiger Niemegker, von den Bauern aus Wendisch?Bork große Flächen Wald. Dieser Mann und der später als Grundstücksmakler auftretende Herr Rothgießer waren die Gründer der Waldkolonie Bork. Bork war zu jener Zeit keine eigenständige Gemeinde, das gesamte Gelände gehörte den Gemeinden Wendisch?Bork, Schäpe und Neuendorf. Am 14. August 1909 zog der damals 30jährige Hans Grade auf Anraten des Herrn Rothgießer von Magdeburg nach Bork.
Bereits drei Tage später, am 17. August, begann Hans Grade mit seinen ersten Flugversuchen auf dem "Marsfeld".
Das " Marsfeld" war ein Heideplan in einer Länge von 1050m und in der Breite von 500m. Es erstreckte sich von der Neuendorfer Straße bis zum Friedhof, in der Breite dehnte es sich von der Beelitzer Straße bis zur Ringstraße aus. Da Herr Rothgießer Besitzer dieses Geländes war, wollte er durch die Einrichtung eines Flugplatzes Berliner anlocken, um seine Waldgrundstücke zu verkaufen.
Durch Grades erfolgreiche Flugversuche kamen tatsächlich viele Berliner; und manch Besucher sah in dem billigen Bauland (der qm kostete nur 15 Pfennig) eine Kapitalanlage. Am 30. Oktober 1909 wurde Hans Grade Sieger beim "Lanz? Preis der Lüfte" in Berlin? Johannisthal und gewann 40.000 Reichsmark.
Dadurch und durch weitere Einnahmen bei Schauflügen hatte er sich die Grundlage geschaffen, eine Flugzeugfabrik zu bauen. Er gab den Bauauftrag im November 1909 an den Baumeister Giersch in Brück. Im März 1910 bat er um die Abnahme des Rohbaus und bereits am 01. Mai begann er, in seinem Werk zu produzieren. Bis 1914 baute er mit seinen Mitarbeitern 80 Flugzeuge in sechzehn verschiedenen Typen. Ein Flugzeug des Typs "Libelle" kaufte der japanische Kaufmann Kumazo Hino, der bei Grade das Fliegen erlernte. Dieses Flugzeug war die erste Flugmaschine, die in Japan geflogen ist. Die Gebäude des Werkes bestehen teilweise noch heute. Das Bürogebäude ist vollständig erhalten. Am Anfang des ersten Weltkrieges mussten die Grade?Werke beschädigte Kriegsflugzeuge aller Typen reparieren. Zwistigkeiten mit den leitenden Offizieren veranlassten Grade, das Werk an die Aviatik Mühlhausen zu verkaufen.
Nachdem die Aviatik Mühlhausen von der IDUNA übernommen wurde, die Küchenwaagen herstellte, ging die Fabrik Ende der 20er Jahre in die Kettenfabrik Mehlich AG über. Dieses Werk produzierte bis zum Kriegsende. 1945 wurde es demontiert und als Reparationsleistung in die UdSSR geschickt. 1917 baute Hans Grade ein neues Werk nördlich der Bahnlinie. In diesem Werk wurden nach dem Krieg keine Flugzeuge mehr gebaut; Grade stieg auf die Automobilproduktion um.
Ab 1910 war Bork das Ausflugsziel vieler Berliner, die die Grade?Flieger sehen und auch einmal mitfliegen wollten. Die Ausflügler reisten vor allem aus dem Westen der Hauptstadt an. Aus Charlottenburg, Steglitz und Friedenau kamen auch die ersten Siedler. So wurde die Kolonie Bork eine "West"berliner Waldsiedlung, was bis zum heutigen Tag seine Auswirkungen hat.
Um den Bahnhof und das Flugfeld "Mars" entstanden die ersten Landhäuser und Gärten.
Der 1906 gegründete Verkehrsverein war ständig bemüht, die Kolonie attraktiver zu gestalten. Flugfeste, Schau? und Passagierflüge prägten die Atmosphäre Borks in jener Zeit.
Das Leben in der Waldkolonie Bork bis 1914
Im Jahr 1911 begann Herr Kommerzienrat Schröter das Schloss, welches er von Herrn Bönnigsen gekauft hatte, umzubauen und zu erweitern. Er legte einen Wildpark an, der die Größe von 80 Morgen hatte. "... Damhirsche,Rehe, Fasanen und ein schwarzer Rehbock werden dort gehalten. Erst im Sommer 1910 wurden durch einen Waldbrand 60 Morgen des Schlossparks vernichtet. Herr Schröter hat diese Stelle mit Laubwald und Tannen wieder aufgeforstet. Dadurch wurde die hiesige Vogelwelt durch Stare und Drosseln erweitert, die man vorher in dieser Gegend nicht kannte."
Ein Jahr später konnte Kommerzienrat Schröter berichten, dass er seinen Park von ungefähr 400 Morgen mit einem Drahtzaun eingezäunt hat. Das Schloss wurde innen auf das modernste eingerichtet und durch das neu errichtete Maschinenhaus die Möglichkeit gegeben, die Straßenbeleuchtung vom Bahnübergang bis zum Schlossübergang selbst mit Strom zu speisen. Ein Journalist bewertete diesen Umbau: " ... Es fehlt wohl nichts, was der vornehme Westen einer Großstadt aufzuweisen hat."
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, wurde 1906 ein Verkehrsverein gegründet, der die Interessen der Siedler vertreten sollte. Der erste Vorsitzende war der Geschäftsmann Poppenberg. Am 10. Dezember 1911 wurde der Vorstand des Verkehrsvereins neu gewählt:
1. Vorsitzender wurde Herr Kurt Schaefer
2. Vorsitzender ... Herr Poppenberg
Geschäftsführer ... Herr Rothgießer
Kassenführer ... Herr Schröter
In den Beirat wurden die Gemeindevorsteher von Wendisch?Bork und Schäpe, Herr Jakob und Herr Bochow sowie Herr Grade gewählt.
Durch den Vorsitzenden des Verkehrsvereins Bork?Flugplatz Herrn Schaefer wurde am 19.02.1912 veranlasst, dass eine elektrische Straßenbeleuchtung installiert wurde. Den Strom dafür lieferte Hans Grade aus einem Generator in seiner Fabrik. Wenn die Beleuchtung auch nicht den heutigen Ansprüchen Genüge tat; es waren nur Positionslampen; so war es doch eine bedeutende Errungenschaft für die kleine Waldkolonie.
Zu diesem Zeitpunkt erschien auch ein erstes Büchlein vom hiesigen Verkehrsverein über die Entstehung der Kolonie Bork in einer Auflage von 6.000 Stück.
Am 12. April wurde mit dem Straßenbau von der Kreuzung Beelitz?Brück bis zum Bahnhof Bork begonnen. Herr Kommerzienrat Schröter ließ die nördliche Seite bis zum Eingang des Schlossparkes auf seine Kosten pflastern und durch zehn Bogenlampen erleuchten. Durch den Verkehrsverein Bork wurden die Amtsvorsteher von Beelitz, Caputh und Lehnin gebeten, die Wege von Kanin über Borkwalde nach Bork und von Ferch über Fichtenwalde nach Bork zu verbreitern. An die Reichsbahndirektion Berlin wurde die Bitte herangetragen, auf dem Bahnsteig Bork eine Wartehalle zu errichten. Dieser Bitte wurde 1912 entsprochen. 80 Jahre, bis 1992, leistete diese Halle ihre Dienste. Zu dieser Zeit kostete eine Arbeiterrückfahrkarte vom Schlesischen Bahnhof in Berlin nach Bork eine Mark; vom Bahnhof Wannsee sechzig Pfennig.