Alfred Bauer

In Belzig ist Albert Baur nicht vergessen

Inhalt
Vorwort
Aus meinem Leben - Albert Bauer für seine Tochter Anna
Annas Leben - von ihrer Geburt am 26. Oktober 1835 bis zu ihrer Konfirmation 1850
- aufgezeichnet von ihrem Vater, Prediger Albert Baur in Belzig
Albert Baur und seine Beziehungen zu Friedrich Ludwig Jahn - nach Hans Gerber
Gedanken über den Turnsport - von Albert Baur
Rede für Albert Baur anlässlich der Gedächtnisfeier
des Vereins der Berliner Turnerschaft am 26. Januar 1887
für ihr Ehrenmitglied, verstorben am 30. Oktober 1886 -
gehalten von Dr. Carl Euler im Bürgersaal des Berliner Rathauses
Albert Baur -
Ein Lebensbild - Artikel in der Turn-Zeitung 1887, von Dr. Hans Brendicke, Berlin
Albert Baur und die Musik - nach Hans Gerber
Albert Baur und die bildenden Kunst - nach Hans Gerber
Albert Baur schrieb Kirchengeschichte, erschienen 1845 (Klaus und Ingrid Pomp)
Baurs Gedanken über den Turnsport
Albert Baur - ein Lebensbild
von Dr. Hans Brendicke in Berlin

"Jede Erinnerung,
dass mich andere lieb gehabt haben,
wirkt ebenso wohltuend wie ein Sonnenstrahl."
bauer
Aus meinem Leben

Albert Bauer für seine Tochter Anna

Ich, Ernst Friedrich Albert Baur, bin 1803, den 12. November geboren, zwei Jahre später als mein einziger Bruder Wilhelm. Meine frühesten Erinnerungen gehören dem Vaterhause auf dem Mühlendamm in Berlin an. Mit meinen Eltern kam ich 1806 nach Kassel. Nach der Rückkehr 1807 bewegte ich mich wegen Altersgleichheit unter den Vettern der mütterlichen Seite: Eduard Eichens, Mathilde Eichens und Emma Maréchaux, die Vettern Stibs, Bouneß, Devrient und Emil Lieber bildeten meinen Spielkreis. Die Großmutter Devrient war noch wohlhabend genug, um alle ihre Enkel zum Weihnachtstisch einzuladen, der freilich nach französischer Sitte erst zu Neujahr gedeckt ward, überhaupt habe ich von daher durchaus den Eindruck einer echt französischen Familie. Kirche, Küche und Sprache verrieten es, die Oncles und Tanten meiner Mutter sprachen stets französisch, und es war wohl kaum gern gesehen, dass meine Mutter einen Deutschen geheiratet hatte. Französisch Buchholz war der Sommeraufenthalt meiner Großmutter, später Charlottenburg. Meiner Eltern Umstände hatten sich in Kassel hergestellt, sodass wir keinen Druck fühlten, und die Sommerwohnungen in Templow und auf der Lohmühle vorm Dresdner Thor sahen nur heitere Kreise.
Unser Schulherr, schon der meiner Mutter und der Großmutter Wilmsen, so wie später auch Deiner Mutter, war der Professor Hartung. Deine beiden Großväter Wilmsen und Baur haben zu verschiedenen Zeiten in derselben Schule Unterricht gegeben. In heiterem Andenken sind uns allen noch die jährlichen Schulfeste auf dem Schützenplatz, die in den traurigen Zeiten eingingen.
Seit dem Jahre 1813 wurde der Turnplatz mehr und mehr unser Lebensmittelpunkt, da öffnete sich der Sinn für des Vaterlands Not und Ehre. Dieser führte uns auch entschieden unseren Lieberschen Vettern zu und sie knüpften überhaupt die innigsten Freundschaftsbande. Unsere besondere Begabung erwarb uns Brüdern einen allgemeinen Namen als die besten Turner und verschaffte uns die Annahmlichkeit mancher weiteren Fußreisen nach Rügen, Mecklenburg, Schlesien. Franz Lieber, Dürre, Berzius waren uns innigst zugetan. Eiselen und besonders Jahn* hatten mir ihre größte Gunst zugewendet, der Letzte erwartete von mir große Dinge, die bis jetzt noch unerfüllt geblieben sind. Ich hatte das Glück, überall geliebt zu sein; Turn- und Gesangfertigkeit hatten wohl mit daran Schuld, dass ich durch Liebe und Freundschaft so sehr verwöhnt worden bin. Die älteren Freunde gaben mir Privatstunden in Mathematik, im Lateinischen, Griechischen, Deutschen, in Musik, Zeichnen und verschafften mir den Klavieruntericht bei Louis Berger.

* Als Schüler Jahns wird der Turnplatz in der Hasenheide (1811) auch für Baur bedeutungsvoll, bis der Turnsport 1819 auf höhere Anordnung vorläufig gesperrt wurde. Jahn meinte mit Turnen die Gesamtheit aller Leibesübungen, auch Spiele, Schwimmen, Fechten und Wandern. 1819 Jahn verhaftet, die Burschenschaften verboten, Universitäten unter Staatsaufsicht gestellt und studentische Turner und Burschenschafter unter polizeiliche Aufsicht gestellt. Jahn verbrachte die nächsten fünf Jahre in Haft in Spandau, Küstrin, Berlin und Kolberg. Offiziell wurde in Preußen 1820 das Turnen eingestellt. Am 13. Januar 1824 wurde Jahn zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt und am 15. März 1825 unter der Bedingung, in keiner Universitäts- oder Gymnasialstadt zu wohnen, freigesprochen.
1825 bis 1852 lebte er unter Polizeiaufsicht in Freyburg an der Unstrut (heute in Sachsen-Anhalt). *Johann Christoph Friedrich GutsMuths, (1759 - 1839) war zur Goethezeit ein namhafter deutscher Pädagoge und Mitbegründer des Turnens.


1819 war ein ernstes Jahr.
Der Turnplatz wurde verboten, mehrere meiner Freunde, wie Jahn, gefangen gesetzt, mein Bruder starb. Durch Besuche im Gefängnis lernte ich Mühlenfels und Jollen kennen und gewann den ersten innig lieb für spätere Jahre.
Von der Schule war ich aufs Gymnasium zum Grauen Kloster übergegangen, von dort blieben mir die beiden Seebecks und Bon nahe befreundet, auch Kosmack. Herrliche Tage, besonders Sonntage, erlebten wir auf dem Beneckeschen Landgute Wilmersdorf im Freundeskreise bei allerlei Turnübungen.
1823 zog ich auf die Universität Tübingen, blieb anderthalb Jahr dort in dem schönen Lande unter heiteren und tüchtigen Menschen, bereiste im Herbst die Schweiz, Oberitalien bis Venedig und einen Teil von Tirol, öftere Ausflüge wurden in die nähere Umgebung, nach de